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Nachfolger für eine Legende: Das James Webb Space Telescope

An Weihnachten wurde es nach mehrjähriger Verzögerung endlich von Kourou aus mit einer Ariane-Rakete gestartet: das James Webb Space Telescope (JWST) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA.

Klaus Herzig |

BCN, Blog, MINT

An Weihnachten wurde es nach mehrjähriger Verzögerung endlich von Kourou aus mit einer Ariane-Rakete gestartet: das James Webb Space Telescope (JWST) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA. Es soll nichts weniger sein als der Nachfolger des legendären Hubble-Weltraumteleskops, das seit mehr als 30 Jahren in 550 Kilometern Höhe die Erde umkreist und ikonische Bilder des Weltraums geliefert hat, wie z. B. die etwas pathetisch „Säulen der Schöpfung“ benannten Sternentstehungsgebiete im Adlernebel.

Adlernebel
Adlernebel / © NASA, ESA, Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Das Hubble-Teleskop ist sicher das bekannteste und berühmteste wissenschaftliche Instrument der Geschichte. Bis mindestens 2026 soll es weiterbetrieben werden. Es arbeitet im Bereich des elektromagnetischen Spektrums vom nahen Infrarotbereich (also Wärmestrahlung) über das sichtbare Licht bis in den Ultraviolettbereich und sieht damit das Universum in etwa so, wie wir es mit unseren Augen auch wahrnehmen würden (falls wir in der Lage wären, mit unseren Augen auch stundenlang zu belichten, um so auch sehr lichtschwache Konturen wahrzunehmen). Auch wenn es so weit ins Universum hinaus (und damit in die Vergangenheit hinein) beobachten konnte, waren ihm Grenzen gesetzt. Dadurch, dass es in einer Erdumlaufbahn kreist (es wurde mit dem Space Shuttle hinaufgebracht und mehrmals zu Reparaturzwecken besucht), war die Erde oft im Sichtbereich und damit im Wege.

Bedingt durch die kosmische Rotverschiebung lassen sich außerdem Objekte und Strukturen aus der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall (der vor etwa 13,8 Milliarden Jahren stattfand) nur im Infrarotbereich erforschen, für den das Hubble-Teleskop nicht ausgelegt war. Daher arbeitet man bereits seit 1996 an einem weiteren Weltraumteleskop für diesen Frequenzbereich. 2002 entschied man sich, es nach dem zweiten Administrator der NASA, James Edwin Webb (1906 – 1992) zu benennen. Diese Namensgebung mutet etwas merkwürdig an, denn schließlich war Webb ja kein Wissenschaftler. Übertragen auf Nürnberg wäre das so, als hätte man den Flughafen nicht nach Albrecht Dürer, sondern einem der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft benannt.  2021 kam ein anderer Punkt dazu: mehr als 1.200 Astronomen forderten eine Umbenennung, da Webb in seiner Amtszeit von 1961 bis 1968 die Diskriminierung homosexueller Mitarbeiter geduldet haben soll. Damit lag er wahrscheinlich im Trend der Zeit (ohne das hier entschuldigen zu wollen) und eine NASA-Kommission fand auch keine Anhaltspunkte, die aus NASA-Sicht eine neue Namensgebung rechtfertigen würden.

Der amerikanische Autor Tom Wolfe beschreibt in seinem Buch „The Right Stuff“, auf Deutsch als „Die Helden der Nation“ erschienen, James E. Webb folgendermaßen (in der manchmal etwas holprigen Übersetzung der Ullstein-Taschenbuchausgabe von 1986, Seite 242):

“Der neue Administrator der NASA, [1961] von [Präsident] John F. Kennedy […] ernannt, war James E. Webb, ein ehemaliger Geschäftsführer einer Ölgesellschaft und politischer Großmeister der Demokratischen Partei. Webb war von wertvoller Herkunft, wohlbekannt in Washington, der nicht zur Wahl angetretene, heimliche Politiker. Dieser heimliche Politiker sieht gewöhnlich aus wie ein Politiker, geht wie ein Politiker, mischt sich gern unter Politiker, bebt und zittert mit Politikers, drückt mit Politikern ein Auge zu, seufzt reuevoll mit ihnen. Er gehört zu der Sorte Männer, von denen ein Kongressabgeordneter oder Senator wahrscheinlich sagen würde: „Er spricht meine Sprache.“  Die fähigsten und hervorragendsten dieser nicht gewählten Politiker stiegen mit ziemlicher Sicherheit in sehr hohe Positionen auf.  Webb war Direktor der Budgetabteilung und Unterstaatssekretär unter Truman gewesen. Er war ebenfalls eng mit [Vizepräsident] Lyndon B. Johnson befreundet und mit Senator Robert Kerr von Oklahoma, dem Präsidenten des Senatskomitees für Luft-und Raumfahrtwissenschaft. […] Webb war ein Mann, wie ihn für die Regierung arbeitende Gesellschaften wie McDonnell Aircraft und Sperry Gyroscope gern in ihrem Aufsichtsrat gesehen hätten.  Und er sah gut aus. Er hatte ausgeprägte, aber nicht kantige Backenknochen […] und noch schöneres Haar, dicht, leicht gelockt, schwarz und von eleganten weißen Strähnen durchzogen, glatt zurückgekämmt und fest anliegend, wie das derzeit von allen seriösen Männern bevorzugt wurde. Er besaß einen Ruf, der ihn zum idealen Berufenen für Kommissionen […] machte […]. Er war bekannt als ein Mann, der Bürokratien zum Funktionieren brachte. Er war kein Narr. ”

Ob die Beschreibung passend ist, können Sie anhand des nachfolgenden Porträts leicht selbst entscheiden.

James Webb
James E. Webb / © NASA

Das JWST muss, da es in einem anderen Wellenlängenbereich arbeitet als das Hubble-Teleskop, auch anders konstruiert sein. Es besitzt einen mehr als fünfmal so großen Spiegel und passt wegen des Hitzeschildes nur zusammengefaltet in die Ariane-Rakete. In den ersten nervenaufreibenden Wochen nach dem Start musste es daher erst einmal vorsichtig auseinandergefaltet werden. jeder Fehler hier hätte das Scheitern der gesamten Mission bedeutet. Das Teleskop wird außerdem 1,5 Millionen Kilometer weit entfernt von der Erde in Stellung gebracht. Denn es benötigt eine Betriebstemperatur nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt und muss daher gekühlt werden. Eine Nachlieferung von Kühlmittel ist auf diese Entfernung nicht möglich, so dass das Teleskop nur bis etwa 2026 in Betrieb bleiben kann. Es wird auch nicht so für unsere Augen ästhetische Aufnahmen liefern wie Hubble, da es im Infrarotbereich beobachtet, in dem wir keine visuelle Sinnesempfindung haben. Die Bilder, die ab Mitte des Jahrs 2022 erwartet werden, müssen daher er mit einer Farbcodierung umgewandelt werden. Die Wissenschaftler erwarten sich allerdings viel vom JWST, denn es kann in die Ferne Vergangenheit des Universums blicken und außerdem durch Gas und Staub, die die Infrarotstrahlung durchdringen kann, in die Kinderstube von Sternen und Planetensystemen.

James Webb Space Telescope
James Webb Space Telescope / © NASA

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