Die ersten künstlichen Sterne erstrahlen
Die Sterne waren nur der Anfang, Teil 8
Klaus Herzig |
Nach vielen Jahren der Überlegungen, Konzeptionsänderungen, Rückschlägen und neuen Konstruktionsversuchen war es im Frühjahr 1923 endlich soweit. Der Planetariumsprojektor konnte erprobt werden. Die Firma Zeiss errichtete extra eine provisorische Kuppel mit 16 m Durchmesser auf dem Dach eines Werksgebäudes in Jena.
Die Spannung bei den Verantwortlichen muss wohl mit Händen zu greifen gewesen sein. Die erste werksinterne Vorführung war jedoch nach Augenzeugenberichten eine herbe Enttäuschung. Die Sterne verblassten mit zunehmender Dunkelanpassung der Augen. Der Grund dafür war die photographische Schicht auf den gläsernen Sternplatten in den Fixsternprojektoren, deren Schwärzung nicht ausreichte. Noch einmal war also ein Technologiewechsel erforderlich. Die Glasplatten wurden zunächst versilbert und dann erst mit der photographischen Schicht überzogen. Nach dem Belichten ließ sich die Silberschicht unter den lochförmigen Sternen wegätzen, während die Flächen zwischen den Sternen durch die verbleibende Silberschicht nahezu lichtdicht blieben.
Ab 1927 wurden die Sternplatten dann durch Kupferfolien ersetzt, in die die Löcher für die Sterne manuell gestanzt wurden. Damit war der Kontrast zwischen den Sternen und dem dunklen Himmelshintergrund optimal. Dieses Sternestechen war jedoch aufwendig und zeitraubend. Für einige wenige Projektoren mochte es noch tragbar sein, aber nicht für eine Massenproduktion. Deshalb griff man in den 1970er Jahren wieder auf Glasplatten zurück, änderte aber das Verfahren. Statt mit Silber werden die Glasplatten jetzt mit einer Chromschicht bedampft und die Sterne mit einem Laser herausgebrannt. Für die Positionierung und die Größe der Sternlöcher nutze man ein Computerprogramm.
Doch zurück ins Jahr 1923. Im August erstrahlte der verbesserte Sternhimmel, erzeugt durch die Kupferfolien, in der provisorischen Werkskuppel. Diesmal berichten die Augenzeugen von überwältigenden Eindrücken, „verblüffend und verwirrend für den, der zum ersten Mal eine besinnliche Stunde in dem künstlichen Himmel erlebt.“ (nach Ludwig Meier: Die Erfindung des Projektionsplanetariums, Jena 2003, S. 41)
Natürlich machte sich auch Auftraggeber Oskar von Miller auf den Weg nach Jena, um sich vom Können des Gerätes zu überzeugen. Offensichtlich tief beeindruckt, äußerte er spontan den Wunsch, den Projektor zur Hauptversammlung des Museumsausschusses im Oktober 1923 in München vorstellen zu wollen. Zeiss sagte zu, wenn auch mit Vorbehalten – der Projektor war ja noch nicht komplett fertiggestellt.
Am 16. September 1923 lief das Projektionsplanetarium erstmals mit allen seinen Funktionen. Ende des Monats wurde es verpackt und nach München geschickt. Die Zeiss-Techniker Paul Lange und Fritz Pfau installierten den Projektor in der Kuppel des Deutschen Museums.
Walther Bauersfeld persönlich stellte den Projektor bei der ersten öffentlichen Vorführung anlässlich der Jahresversammlung am 21. Oktober 1923 (daher der Beginn des langen Jubiläumsjahres im Oktober 2023) vor. Die Demonstration war ein voller Erfolg. Die Presse berichtete euphorisch und es setzte ein regelrechter Ansturm auf das „Wunder des Zeiss-Planetariums“ ein. Anfangs fanden öffentliche Vorführungen durch die Zeiss-Mitarbeiter Pfau und Lange statt, später übernahm Dr. Fuchs vom Deutschen Museum die Präsentation für ausgewählte Besuchergruppen.
Ende 1923 sandte das Deutsche Museum den Planetariumsprojektor wieder zurück nach Jena. Er sollte nun endgültig fertiggestellt werden, denn z. B. die Oberflächen waren noch nicht lackiert.
Aus den Erfahrungen bei den ersten Vorführungen in München wurden noch einige konstruktive Veränderungen abgeleitet, die Zeiss noch versprach vorzunehmen. Die erste Jahreshälfte 1924 wurde daher genutzt, um den Projektor in der Werkstatt zu finalisieren. Im Juli 1924 begann Zeiss mit öffentlichen Vorführungen der nun endgültigen Version des Planetariumsprojektors in der Kuppel auf dem Dach des Zeiss-Werkes.
Auch hier war das Interesse wieder riesig, so dass stündlich Vorführungen durchgeführt wurden. Bis zum März 1925 erlebten so schon mehrere zehntausend Besucher den künstlichen Sternhimmel in der Werkskuppel von Zeiss, worüber Oskar von Miller nicht gerade erfreut war. Denn schließlich sollte das Planetarium ja eine der großen Attraktionen des Deutschen Museums werden und er befürchtete, dass mit den Demonstrationen in Jena der Neuigkeitswert des Planetariums für München verloren gehen könnte. Wieder bat er deshalb um eine rasche Lieferung des Projektors nach München. Doch diesmal ließ sich Zeiss nicht erweichen und begründete das mit der Notwendigkeit, den Apparat erst noch intensiv auf seine Zuverlässigkeit testen zu müssen.
In der Zeit von Anfang 1924 bis März 1925 baute Zeiss außerdem noch einen Zwilling des Münchner Gerätes. Er sollte nach Lieferung des Original-Projektors nach München in Jena zu Weiterentwicklungen genutzt werden. Zudem konnten damit die öffentlichen Vorführungen bis ins Frühjahr 1926 fortgesetzt werden. Insgesamt erlebten so etwa 80.000 Menschen den künstlichen Sternenhimmel auf dem Dach des Zeiss-Werks, bevor im Juli 1926 ein offizielles Planetarium in Jena eröffnet wurde.
Dieser Beitrag wurde unter Verwendung von Material der Unternehmensgeschichte von Carl Zeiss und von Volkmar Schorcht erstellt.
Bilder: © Carl Zeiss Jena