Zum Hauptinhalt springen

Mein Freund, der Baum?

Viele Zuschreibungen in populären Veröffentlichungen haben keine wissenschaftliche Grundlage

Klaus Herzig |

MINT

Pflanzen werden vielfach Fähigkeiten aus der Tier- oder Menschenwelt zugeschrieben. Demnach sind Bäume zu Gefühlen fähig oder in der Lage, wie Mütter für ihren Nachwuchs zu sorgen. In einem Beitrag für das Review Journal „Trends in Plant Science“ sind nun 32 internationale Pflanzen- und Forstwissenschaftler aus Deutschland, Chile, Großbritannien, Irland, Israel, Kanada, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien und den USA solchen Zuschreibungen nachgegangen. Sie vertreten die Fachbereiche Biologie, Forstwissenschaften und Pflanzenwissenschaften. Die Forscherinnen und Forscher haben die Aussagen in zwei populären Veröffentlichungen zum Thema Wald analysiert und kommen zu dem Schluss, dass hier Mutmaßungen mit Fakten gleichgesetzt werden. Sie warnen davor, Pflanzen zu „vermenschlichen“.

Gegenstand der Analyse waren die Aussagen in zwei weitverbreiteten Büchern, die sich mit dem verborgenen Leben der Bäume und der Suche nach dem sogenannten „Mutterbaum“ beschäftigen. Darin wird behauptet, Bäume zeigten menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen. So würden sie Schmerz oder Glück empfinden, miteinander kommunizieren oder fürsorglich handeln. Für beide Veröffentlichungen wiesen Prof. Robinson und seine Co-Autoren anhand vorhandener Forschungsliteratur detailliert nach, dass zentrale Aussagen wissenschaftlich nicht haltbar sind. Danach wird beispielsweise die Behauptung, wonach Bäume einer Art sich gegenseitig unterstützen und am Leben halten, durch zahlreiche Forschungsarbeiten zur Bedeutung innerartlicher Konkurrenz klar widerlegt.

Können Bäume fühlen?
Nett gemeint, aber für den Baum ohne Belang.

Auch das oft beschriebene „Mutterbaum“-Konzept, wonach ältere Bäume jüngeren über ein Netzwerk von Pilzen – den so sogenannten Mykorrhizzen – gezielt Kohlenstoff als Nahrung zukommen lassen, sei nicht haltbar. Viele diesem Konzept zugrundeliegende Publikationen seien unter anderem wegen fehlender Kontrollvarianten inkorrekt. Und selbst dort, wo die Daten einen solchen Transfer tatsächlich nahelegten, sei die ausgetauschte Kohlenstoffmenge so gering, dass sie für den empfangenden Baum physiologisch völlig irrelevant sei. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisierten zudem, dass in beiden Büchern für bestimmte Aussagen Quellen als Belege verwendet werden, die kein qualitätssicherndes Begutachtungsverfahren durchlaufen haben.

Der Beitrag zeigte schließlich auch auf, welche fatalen Folgen es für die Anpassung der Wälder an den Klimawandel haben könnte, wenn politische Weichenstellungen dafür nicht auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auf der Grundlage wohlklingender, aber falscher Botschaften getroffen werden.

Dieser Beitrag entstand unter Verwendung von Pressematerialien der Universität Heidelberg.

Wenn Sie den Artikel mögen?

Teilen Sie den Artikel mit Ihren Freunden