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Mittags werden literarische Leckerbissen serviert

Offiziell heißt die Reihe „Gäste & Buch“, bekannt geworden ist sie als „Mittagslesungen“.

Gast Autor*in |

Literatur

Die Veranstaltung „Gäste & Buch“ wurde in 20 Jahren zur Institution

Offiziell heißt die Reihe „Gäste & Buch“, bekannt geworden ist sie als „Mittagslesungen“. Und sie ist ein echter Dauerbrenner: Seit 20 Jahren gibt es den literarischen Treffpunkt, bei dem interessante Menschen aus der Stadt unter der Woche am frühen Nachmittag ein Lieblingsbuch vorstellen und einen Ausschnitt daraus vorlesen. Wann immer die Reihe auf der Kippe stand, schrieben die treuen Fans Protestnoten und sammelten Unterschriften. Und jedes Mal ging es weiter. Zum 20. Geburtstag der Reihe sprachen wir stellvertretend für die vier Moderatorinnen mit Madeleine Weishaupt, Mitglied der Regionalgruppe Mittelfranken des Verbandes Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller im ver.di- Fachbereich Medien, Kunst und Industrie. Seit 14 Jahren moderiert sie „Gäste & Buch“.

 

Madeleine Weishaupt und Johannes Volkmann
Madeleine Weishaupt mit Johannes Volkmann vom „Nürnberger Papiertheater“ / © Stefan Hippel

Frau Weishaupt, 20 Jahre „Mittagslesungen“ – ein Erfolgsmodell. Ein Nürnberger Erfolgsmodell?
Die Mittagslesungen sind tatsächlich eine Nürnberger Erfindung. Reinhard Knodt hatte die Reihe 1999 unter dem Titel „Eine Stadt liest“ in der Stadtbibliothek ins Leben gerufen. Karl Heinz Demuß übernahm damals die Moderation der immer um 12.12 Uhr beginnenden Veranstaltung. Seither hat sich das Format mehrfach geändert, aber es hat all die Jahre überlebt. Und: Es ist immer noch einzigartig. In Schwabach gibt es einmal in der Woche „Schwabach liest“ . . . Ansonsten wüsste ich nicht, wo es so etwas noch gibt.

Sie selbst leiten seit 14 Jahren die „Mittagslesungen“ . . .
Wir sind vier Moderatorinnen: Katharina Gloser, Elke Thoma, Christiane Rumpf von der Stadtbibliothek und ich vom Schriftstellerverband. Dazu haben wir noch Unterstützung vom Bildungscampus Nürnberg, der sich ums Grafische und um den Onlineauftritt kümmert.

Wenn Programm gemacht wird – wie darf man sich das praktisch vorstellen? Trifft man sich da regelmäßig ganz romantisch im Café?
Nein. Wir vier Moderatorinnen terminieren unsere Gäste unabhängig voneinander. Jede hat ihren fixen Tag. Da laden wir ein, wen wir möchten. Aber eigentlich kommen wir uns kaum in die Quere.

Und da gibt es keine Überschneidungen?
Nein, eigentlich nie. Das ist erstaunlich, nicht wahr? (lacht)

Ja. Weil die Stadt dafür eigentlich zu klein ist . . .
. . . oder sie ist doch zu groß. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Aber um Ihre Frage fertig zu beantworten: Wir treffen uns zweimal im Jahr, tauschen uns aus und besprechen das eine oder andere. Aber unser Vorlauf ist enorm: Ein halbes Jahr im Voraus sind wir eigentlich immer belegt. Da sprechen wir uns nur bei spezielleren Sachen ab: Wie jetzt im Winter, wo wir gerade planen, außer Haus zu lesen.

 

Karin Charlotte Melde
Karin Charlotte Melde von der „Wortbinderei“ hat ein Faible für gute Texte. / © Stefan Hippel

Was ist die Faszination vom Vorlesen und dann auch nur im Ausschnitt?
Der Ausschnitt ist zeitlich begrenzt. 20 Minuten und dazu noch ein Gespräch – so ist das Format gedacht. Die ganze Veranstaltung soll nicht länger als eine Stunde dauern. Die Grundidee vor 20 Jahren war ein kultureller Beitrag in der Mittagspause. Das ließ sich organisatorisch aber nicht machen, weshalb die Reihe dann auf 14 Uhr gelegt wurde. Was faszinierend ist an den „Mittagslesungen“: Die Gäste, die kommen, greifen ganz selten auf ein Buch zurück, das in der Bestsellerliste ist. Wir lernen immer wieder neue Literatur kennen, neue Bücher und neue Autorinnen und Autoren. Dass die Reihe so lange durchgehalten hat, liegt an den Gästen. Viele, die zu uns kommen, haben früher selbst vorgelesen bekommen. Oder vorgesungen.

Ist das schon mal passiert?
Ja, es wurde auch schon gesungen. Wir hatten in all den Jahren sehr unterschiedliche Lesungen. Erst kürzlich waren im Rahmen des Internationalen Figurentheaterfestivals Paul und Wally Schmidt vom Figurentheater Salz + Pfeffer zu Gast. Und Susanne Carl, bekannt als Clown und Maskenbildnerin. Das waren natürlich beides keine klassischen Lesungen, sondern die haben das in ihrer Art als Theaterleute inszeniert – auch das anschließende Gespräch. Solche Gäste machen die Sache natürlich sehr abwechslungsreich.

Was ist für Sie das Wichtigste an den „Mittagslesungen“?
Dass man über die Literatur Begegnungen schafft – was im Grunde ja auch das Ziel ist. Ich denke, dass wir das ganz gut machen.

Wer kommt zu den „Mittagslesungen“?
Hauptsächlich Frauen etwas gesetzteren Alters. Wir haben ein Stammpublikum – und Fans. Manche gehen zu allen drei Lesungen, wenn sie es einrichten können, andere haben ihre bestimmten Tage. Und dann haben wir noch ein Publikum, das gezielt zu ausgewählten Gästen kommt.

Ziehen bekannte Namen mehr Publikum?
Ich verneine das immer. Es ist jedes Mal eine Überraschung. Wie das bei Veranstaltungen halt so ist: Man kann es nie kalkulieren.

Die Stunde wird aber eingehalten . . .
Naja, die Frau Weishaupt überzieht immer (lacht). Angesetzt sind 45 Minuten, aber länger als eine Stunde geht es nie.

Gibt es einen Rekordhalter, der am öftesten da war und gelesen hat?
Es gab eine Zeit, als einige Gäste öfter eingeladen wurden, aber inzwischen ist das nicht mehr so.

Können sie sich an unvergessliche Momente erinnern?
Aus dem Ruder ist es nie gelaufen. Wir haben immer eine gute und freudige Stimmung. Neugierde ist immer noch da, von allen Seiten. Auch seitens der Gäste. Wir bekommen eigentlich nie Absagen.

Aber Neugier ist doch der Schlüssel für diese Aktion – ein Motor.
Ja, das denke ich auch. Wir kriegen immer wieder die Rückmeldung seitens der Besucher, dass sie überrascht wurden von dem, was da gelesen wurde. Und wer gelesen hat. Da sind wir oft auch ein Türöffner mit den „Mittagslesungen“, wenn wir Leute zusammenbringen – zumindest für diesen Moment.

Erinnern Sie sich an einen lustigen Moment in den 14 Jahren, seitdem Sie die „Mittagslesungen“ moderieren?
Da war die Lesung mit Lilo Kraus, die aus einem Buch gelesen hat – der Titel ist mir entfallen – das . . . ich sage mal: nicht ganz jugendfrei war. Es war eine lustige Lesung, aber zwischenrein bin ich fast im Boden versunken. Aber als ich dann ins Publikum geschaut habe, habe ich bemerkt, dass die Besucher total amüsiert und begeistert waren. Da war meine Verlegenheit auch schon wieder vorbei. Genau das sind diese Überraschungsmomente.

Thomas Grethlein
Auch Thomas Grethlein vom 1.FC Nürnberg hat schon gelesen. / © Stefan Hippel

Der Beamte, der plötzlich zur Rampensau mutiert, oder der Autor mit Verlagsdeal, der auf der Bühne keinen Ton rauskriegt . . .
Gibt es. Hat es alles schon gegeben. Aber das passiert sehr selten. Gäste und Publikum sind in der Regel voll dabei.

Lesen konnten aber alle?
Dazu sagen wir jetzt nichts. (lacht)

Wenn Sie Coach wären, der jemanden für eine „Mittagslesung“ trainiert – was würden Sie ihm raten? Was braucht es, damit es richtig gut wird und alle beschwingt nach Hause gehen?
Fröhlichkeit, Offenheit . . . Was ich gar nicht mag, ist, wenn die Leute sagen, dass sie eigentlich gar nicht so der Vorleser sind und dann vorlesen, wo man sich denkt „Und wo war jetzt das Problem?“ Ansonsten: Nicht so viel von sich erzählen. Keine langatmigen Einleitungen, sondern zum Punkt zu kommen: Um was geht es hier?

Und um was geht es hier?
(lächelt) Um die Literatur und um die Fragen, die die Moderatorin jeweils stellt.

Ich hätte jetzt als Antwort erwartet: „Um die Auswahl des richtigen Buchs!“
Die Frage ist: Was ist das richtige Buch? Inmitten dieser Schwemme von Büchern? Irgendwer hat mal was von Joachim Meyerhoff mitgebracht, diesem Autor, der auch lange Schauspieler am Wiener Burgtheater war und mit dessen Erzählen ich persönlich gar nichts anfangen kann. Der Gast hatte jedoch „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ aus seinem Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ dabei und die richtige Stelle ausgewählt, so dass ich mir am Ende dachte „Ja, das hat mir jetzt gefallen.“ Aber das richtige Buch gibt es nicht. Die Frage ist immer auch, wie ich einen Text vermittle. Wenn ich vielleicht noch eine Geschichte dazu habe, irgendein Erlebnis – das macht das Buch dann ja noch mal besonders.

Wünsche, Träume, Hoffnungen: Gibt es etwas, was Sie noch gerne mit und bei den „Mittagslesungen“ machen würden?
Ich würde gerne mal ein paar bekannte Menschen aus Deutschland herlocken, die einen Bezug zu Nürnberg haben. Matthias Brandt etwa oder Thomas Gottschalk. Das fände ich spannend, aber das wäre sicherlich auch eine Herausforderung.

Interview: Stefan Gnad
Fotos: Stefan Hippel, Bildungscampus Nürnberg

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