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Jeder für sich, aber doch alle im Einklang

Scheinbar spontan koordiniertes Schwarmverhalten in großen Tierverbänden ist ein faszinierendes und auffälliges kollektives Phänomen. Nun kann es auch im Labor nachvollzogen werden.

MINT

Es ist immer wieder ein beeindruckendes Bild, wenn sich gr0ße Vogel- oder Fischschwärme gleichförmig bewegen, Richtungsänderungen vollziehen und Muster bilden. Oft fragt man sich dabei, ob das denn mit rechten Dingen zugehen kann. Oder ob es nicht doch einen Leitvogel oder Leitfisch braucht, der quasi via Gedankenübertragung den anderen Schwarmmitgliedern Signale gibt: „Jetzt alle rechts herum!“

Schwarmverhalten
Vogelschwarm im Formationsflug

Die wissenschaftliche Erforschung von Herden- und Schwarmverhalten basiert in der Regel auf Feldbeobachtungen. Daher stütze man sich in der Interpretation der Beobachtungen häufig auf plausibel klingende Vermutungen darüber, welche individuellen Verhaltensregeln für die beobachteten komplexen kollektiven Verbände nötig sind.

Experimente von Forschenden der Universität Leipzig an laserbetriebenen synthetischen Mikroschwimmern zeigen nun, dass die vermeintliche Schwarmintelligenz zuweilen auch die Folge simpler und rein physikalischer Mechanismen sein kann. Man fand heraus, dass Schwärme synthetisch hergestellter Brownscher Mikroschwimmer den Eindruck erwecken können, dass sie sich spontan entscheiden, ihren Zielpunkt zu umkreisen statt diesen direkt anzusteuern.

Dank einer ausgeklügelten Laserheizung konnten sich die nur unter dem Mikroskop sichtbaren Schwimmer in einem Wasserbehälter einerseits durch eine Art „Raketenantrieb" aktiv fortbewegen, während ihre Fahrt andererseits durch die Brownsche Molekularbewegung permanent in zufälliger Weise gestört wurde.

Schon mit sehr einfachen Navigationsregeln, die von allen Schwimmern in gleicher Weise befolgt werden, ergab sich ein überraschend komplexes Schwarmverhalten, vermeldete das Forschungsteam in einer Pressemitteilung. Zielen beispielsweise alle Schwimmer auf denselben festen Raumpunkt, kann sich anstelle eines dichten Pulks auch eine Art Karussell bilden. Ähnlich wie Satelliten oder Atom-Elektronen umkreisen die Schwimmer dann ihren „Zielpunkt“ auf unterschiedlich weiten Kreisbahnen. Die einzige dazu nötige "intelligente" Verhaltensregel ist, dass der Raketenantrieb mit einer gewissen Zeitverzögerung auf die Umgebungswahrnehmung reagiert, was in natürlichen Schwarmphänomenen vom Mückentanz bis zum Straßenverkehr sowieso meist unvermeidlich sein dürfte. Es stellt sich heraus, dass ein derartiger "Spätzünder"- oder "Schrecksekunden"-Effekt allein ausreicht, um komplexe dynamische Muster zu bilden. Vielleicht erklärt es ja auch, warum Hundewelpen bei der Fütterung häufig den Futternapf umkreisen.

Quelle: Pressemitteilung Universität Leipzig, Fachbereich Physik

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