Was die Wälder für uns Menschen bedeuten
Archäologe und Anthropologe Patrick Roberts zu Gast am Bildungscampus Nürnberg
Klaus Herzig |
Dass die Urwälder der Erde eine gewichtige Rolle für das Ökosystem und den Menschen spielen, dürfte inzwischen Allgemeingut sein. Der in Jena am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie arbeitende Archäologe und Anthropologe Patrick Roberts sieht dort sogar die „Wurzeln des Menschen“. So jeden falls lautet der deutsche Titel seines Buches.
Zum Thema Wälder haben wir einige Äußerungen von Patrick Roberts aus diversen Veröffentlichungen der Max-Planck-Institut herausgesucht.
War bisher die Vorstellung vorherrschend, die Tropenwälder seien „grüne Wüsten”, die sich nicht als menschlicher Lebensraum eigneten, so zeigen neue Forschungstechniken nun das genaue Gegenteil. Denn es ist den Menschen schon sehr früh gelungen, dort Siedlungen zu erbauen und damit die umliegende Gegend zu gestalten. So konnten auch große Mengen an Nahrungsmitteln für die sich ausbreitenden Siedlungen erzeugt werden, die vor 1.000 Jahren zu den größten Ansiedlungen weltweit gehörten. Neue Daten, die unter anderem aus Kartierungen mit Hilfe von Lichtlaufzeitmessungen (LiDAR, Light Detection and Ranging - eine die Laubdächer durchdringende Technik) stammen, deuten auf menschliche Ansiedlungen in Amerika und Südostasien hin, die vorher vernachlässigt worden waren. „Tatsächlich haben umfassende und vernetzte Siedlungen in den Tropenwäldern von Amazonien, Südostasien und Mittelamerika wohl um ein Vielfaches länger bestanden als bislang die industriellen und städtischen Ansiedlungen der modernen Welt", erläutert Patrick Roberts.

Es ist mittlerweile auch bekannt, dass die Tropenwälder Heimat für mehr als die Hälfte der gesamten Biodiversität des Planeten sind, für ergiebigen Niederschlag sorgen, Böden festigen und verankern und enorme Mengen an CO2 binden. Veränderungen der Tropenwälder durch den Menschen können deshalb der Zünder für eine ganze Reihe von Rückkopplungen sein – mit spürbaren Auswirkungen auf die umliegenden Regionen, Kontinente und selbst die gesamte Erde.
Die gesammelten Daten zeigen, dass weltweit kein unberührtes naturbelassenes Tropenwald-Ökosystem mehr existiert – und das bereits seit Zehntausenden von Jahren nicht mehr. Es gibt also keinen „idealen Wald“, der modernen Naturschützern als Vorbild dienen könnte, wenn sie Ziele für den Waldschutz festlegen und entsprechende Strategien entwickeln wollen. Die Wissenschaftler empfehlen, das Wissen von indigenen Völkern in den Tropenwäldern zu nutzen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. „Indigene und nach alten Traditionen lebende Völker – sowie die Produktionssysteme und das Wissen ihrer Vorfahren, die von den Archäologen allmählich entschlüsselt werden – sollten als Teil der Lösung betrachtet werden und nicht als Teil des Problems", sagt Roberts. Er betont zudem, wie wichtig und gewinnbringend es ist, Informationen aus der Archäologie mit denen aus anderen Fachgebieten zu verknüpfen. Nur so könne man zu einem besseren Verständnis der Tropenwälder gelangen und wirksame Schutzmaßnahmen aufsetzen.

Patrick Roberts verweist darauf, dass menschliche Veränderungen der Tropenwälder „wahrscheinlich kein junges Phänomen sind.“ „Obwohl die Tropenwälder vor der Industrialisierung oft als unberührte 'Wildnis' angesehen werden, wissen wir heute, dass Jäger und Sammler, Nahrungsmittelproduzenten und sogar Stadtbewohner diese Lebensräume seit langer Zeit bewohnt - und verändert – haben, allerdings in engem Einklang mit der Natur und dem Verständnis für diese Ökosysteme“, fährt Roberts fort. „Da diese Lebensräume in eine Vielzahl von Erdsystemen eingebettet sind, eröffnet uns dies die Möglichkeit, sehr frühe Wurzeln für das Anthropozän hier zu finden.“
Insgesamt hoffen die Forscherinnen und Forscher, dass ihre Erkenntnisse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Ökologie, aber auch die Politik, dazu ermutigen, verstärkt mit indigenen Gruppen und Forschenden aus den Paläo- und Sozialwissenschaften zusammenzuarbeiten. „Auf diese Weise haben wir die besten Chancen, eine gerechtere, nachhaltigere und widerstandsfähigere Zukunft für die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in diesen kritischen, oft missverstandenen Umgebungen zu entwickeln“, so Roberts abschließend.
Quellen: Max-Planck-Gesellschaft, diverse Veröffentlichungen und Pressemitteilungen