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Wenn Worte und Wissen zu Gegnern der Mächtigen werden

Themenwelt erinnert an lange Geschichte der Bücherverbrennung

Gast Autor*in |

Literatur, Stadtbibliothek

Am 10. Mai 1933 brannten auf dem Nürnberger Hauptmarkt die Bücherstapel. Angezündet von den Nationalsozialisten
und ihren Anhängern. Werke von Autoren wie Bertolt Brecht, Egon Erwin Kisch, Erich Kästner, Sigmund Freud oder Kurt Tucholsky wurden nicht nur in der mittelfränkischen Metropole, sondern auch in vielen anderen Städten des Dritten Reichs ein Opfer des Feuers. Ein hasserfüllter Feldzug der Nazis gegen alle Geistesnahrung, die dazu geeignet war, in der Bevölkerung Zweifel an der perversen Rassenideologie der NSDAP und ihrer Gefolgsleute zu sähen. Ein Frontalangriff auf Wissen, intellektuelle Vielfalt und die Freiheit von Kunst und Kultur – nur gut drei Monate nach der Machtergreifung Hitlers. 90 Jahre liegt dieses erschütternde Ereignis nun zurück. Eine Tatsache, die die Nürnberger Stadtbibliothek zum Anlass nimmt, eine Themenwelt mit dem Titel „Brandgefährlich! Über Verbot, Vernichtung und Zensur“ auszurichten.
Vom 10. Mai bis zum 31. Juli 2023 wird dazu eine Ausstellung zu sehen sein. Zusätzlich soll es Lesungen, Vorträge und Workshops geben. Zum Auftakt referierte Alexander Schmidt über die Bücherverbrennung in Nürnberg. Der
promovierte Historiker befasst sich seit vielen Jahren mit der Zeit des Nationalsozialismus und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände. „Es wird in der Themenwelt aber nicht nur um die Bücherverbrennung gehen. Wir wollen allgemein auf das absichtliche Zerstören von Wissen blicken“, erklärt Anne-Kathrin Lindner. Sie ist Mitarbeiterin der Stadtbibliothek und konzipiert gemeinsam mit einem Team die geplante
Ausstellung.

Themenwelt Brandgefährlich
Die Themenwelt erinnert an die Geschichte der Bücherverbrennung. / © Ali

Schon im Mittelalter habe es Zensur gegeben, sagt Lindner. „Und die war da wenig subtil, da muss man sich nur an Galileo Galilei erinnern.“ Der italienische Universalgelehrte wies Anfang des 17. Jahrhunderts nach, dass nicht die Erde, sondern die Sonne Mittelpunkt des Sonnensystems ist. Eine damals bahnbrechende Erkenntnis, die vor allem der katholischen Kirche missfiel. Die Kleriker ließen anschließend kaum etwas unversucht, Galilei an der Verbreitung
seiner Lehren zu hindern. Er wurde schließlich wegen Ketzerei angeklagt und in den Hausarrest verbannt. Dass die Mächtigen sich mit unlauteren Mitteln gegen wissenschaftliche und literarische Werke stellen, die der eigenen Weltanschauung widersprechen oder gar die eigene Machtposition gefährden, ist also keineswegs ein neues Phänomen.

In der Stadtbibliothek wird im Rahmen der Ausstellung deshalb auch ein Zeitstrahl zu sehen sein, der anhand prägender Ereignisse die Geschichte der Verbote von Wissen, Information und Literatur veranschaulicht. Auch heute gibt es nicht wenige Staaten auf der Welt, in denen die Machthaber dafür sorgen, dass Erkenntnisse und Argumente, die das eigene Narrativ in Zweifel ziehen könnten, für die Bevölkerung unzugänglich bleiben. Ein Blick nach Russland oder China genügt. Die Gründe dafür, warum bestimmte Werke der Öffentlichkeit vorenthalten werden sollen, haben sich dagegen über die Zeit hinweg durchaus verändert. „In den 1950er Jahren zum Beispiel ging es um Werke, die Prostitution und Sexualität thematisiert haben, heute geht es dagegen eher um Fake News und Gewalt“, weiß Lindner. Ein Schwerpunkt der Themenwelt in der Stadtbibliothek wird auch auf der Zensur von Schriftstellerinnen liegen. Die Werke von Frauen wie Hertha Nathorff, Irmgard Keun oder Else Ury wurden von den Nationalsozialisten verbannt. Obwohl Ury eher brave Kinder- und Jugendgeschichten über und für goldblonde deutsche Mädchen geschrieben hatte, die durchaus nicht im Widerspruch zur Nazi-Ideologie standen, wurde sie Januar 1943 im KZ Auschwitz- Birkenau ermordet. Aus einem einzigen Grund: Sie war Jüdin. „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, hatte Heinrich Heine bereits in seiner 1823 erschienenen Tragödie „Almansor“geschrieben. Er sollte auf grausame Art Recht behalten.

Weitere Informationen und Veranstaltungen rund um die Themenwelt.

Text: Dominik Mayer

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