Eröffnung WortWärts: Podiumsgespräch "Wohliger Schauer – seitenweise. Das Unheimliche in der Literatur."
Es diskutieren: Christiane Neudecker (Schriftstellerin), Prof. Markus May (Germanist), Doris Höreth (Buchhändlerin), Moderation: Dirk Kruse (Bayerischer Rundfunk)
15.
August 2025
19.30 Uhr
-
21.00 Uhr
Die Geschichte des Unheimlichen in der Literatur ist lang und vielfältig, sie reicht von den frühesten Erzählungen bis in die Gegenwart. Schon antike und biblische Texte enthalten unheimliche oder gruselige Motive, Homers "Odyssee" beispielsweise ist ebenso wenig frei von Horrormomenten wie zahlreiche Sagen und Mythen.
Das Unheimliche beschreibt das psychologische Gefühl des Unbehagens, das entsteht, wenn etwas Vertrautes plötzlich fremd, beängstigend oder verstörend wirkt. Es ist oft nicht direkt übernatürlich, sondern spielt mit der Unsicherheit über die Realität und dem Wiedereintritt von Verdrängtem – beschrieben auch 1919 von Sigmund Freud in seinem Aufsatz "Das Unheimliche".
In der neuzeitlichen Literatur wird das Unheimliche mit dem englischen Schauerroman populär. Mit "Das Schloss von Otranto" schreibt Horace Walpole 1764 die erste Gothic Novel, danach erfreuen sich Mary Shelleys "Frankenstein" oder die Geschichten des Amerikaners Edgar Allan Poe enormer Beliebtheit. In Deutschland gilt E.T.A. Hoffmann als unerreichter Meister des Unheimlichen in der Dichtung. Auch die zeitgenössische Literatur ist reich an unheimlichen Szenarien. Sei es, um nur zwei zu nennen, der die Idylle unheimlich bedrohende Weltkrieg in Arno Geigers »Unter der Drachenwand« oder die unsichtbare Barriere in Marlen Haushofers "Die Wand". Sei es Unheimliches bei Frank Kafka oder Thomas Bernhard.
Worin aber liegen Reiz und Erfolg von unheimlichen Stoffen in der Literatur begründet – sowohl für Verfassende wie Lesende? Was reizt an der Verwandlung Mann - Käfer, an beängstigenden Doppelgängergeschichten oder Menschen ohne Schatten? Ist es ein willkommener Weg, lesend der Langeweile des rationalen Alltags zu entfliehen? Ist es die Möglichkeit, das Unheimliche durch das Medium der Literatur zu erleben, ohne selbst in Gefahr zu sein? Allerdings: Ist die Gegenwart nicht unheimlich genug?

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Gewerbemuseumsplatz 4
90403 Nürnberg
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