Zum Hauptinhalt springen

Prinzip Vielfalt: Malen, Kochen, Philosophieren

Größer könnte der Unterschied kaum sein: Gerade mal 69 Veranstaltungen listete das erste Programm der Volkshochschule Anfang der 1920er Jahre auf. Inzwischen ist aus dem dünnen Heft von damals selbst in Corona-Zeiten ein 300 Seiten starker Wälzer geworden

Gast Autor*in |

Bildungszentrum

Einige Kurse werden echte Dauerbrenner

Größer könnte der Unterschied kaum sein: Gerade mal 69 Veranstaltungen listete das erste Programm der Volkshochschule Anfang der 1920er Jahre auf. Inzwischen ist aus dem dünnen Heft von damals selbst in Corona-Zeiten ein 300 Seiten starker Wälzer geworden, der von Gesundheit über Kultur und Sprachen bis zu Beruf und Karriere ein umfangreiches Angebot serviert. Schon immer waren die Kurse ein Spiegel ihrer Zeit. Der Anspruch der Gründer, breite Bevölkerungsschichten anzusprechen, gilt bis heute. Im Artikel 148 der Weimarer Verfassung hieß es: „Das Volksbildungswesen einschließlich der Volkshochschulen soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert
werden.“ Diesem Auftrag kam auch die Stadt Nürnberg 1919 durch die Gründung der „Freien Hochschule Nürnberg“ nach, aus der im Oktober 1921 die Volkshochschule herausgelöst wurde. Dass die Hörer dabei unter Anleitung des Dozenten selbst aktiv werden, sei das Ideal der neuen demokratischen Gesellschaft gewesen, sagt Dr. Christine Sauer, Leiterin der Historisch-Wissenschaftlichen Stadtbibliothek.

Zeichenkurse am Bildungszentrum Nürnberg
Zeichenkurse am BZ können auch ins Freie verlegt werden. / © Golubovy

Anfangs las sich das Angebot trotzdem eher wie eine Vorlesungsreihe. Kein Wunder, meint Dr. Karla Görner-Schipp, Leiterin des Fachteams Gesellschaft und Kultur. Die ersten Dozenten kamen aus dem Universitätsbetrieb und kannten es nicht anders. In der „Vergleichenden Länderkunde“ etwa ging es um die Revolutionsjahre 1848/49. Hinter dem Stichwort „Der Streit um die Tierseele“ verbarg sich eine Einführung in die moderne Tierpsychologie. Auch Literatur und Sprache waren Thema – das Programm verzeichnet etwa Vorträge Karl Brögers über „Jugend in der Deutschen Dichtung seit Sturm und Drang“.

Wer das Angebot in den ersten Jahren genutzt habe, sei kaum bekannt. Allerdings wurde die VHS ihrem Auftrag schnell mit modernen Methoden gerecht. „Man ging gemeinsam in Ausstellungen und diskutierte dort über die Kunst“, berichtet Sauer. Führungen und Exkursionen standen von Anfang an auf diesem Plan, ab 1925 auch Reisen. Berufliche Bildung war zunächst verpönt, weil es den Gründern um „geistige Veredelung“ und nicht um zweckgebundenes Lernen ging. Dennoch spielte diese schnell eine Rolle: Im Zuge der Wirtschaftskrise wurden ab 1932 Tageskurse für Erwerbslose angeboten. 1933 lösten die Nationalsozialisten die VHS auf, an ihre Stelle trat eine „Volksbildungsstelle“. Doch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die Volkshochschulen einen großen Aufschwung, wie Görner-Schipp weiß. Anknüpfend an den Gründungsgedanken sollten sie die Rückkehr zur Demokratie fördern. Erst in den 1960er Jahren rückte berufliche Bildung wieder in den Blick. 1965 wurde die Volkshochschule zum Bildungszentrum (BZ), mit einem Angebot zur beruflichen Bildung, der Integration des Spracheninstituts und der Jugendakademie und einer Abteilung für Behinderte. „Der Anspruch war und ist, dass es für jeden zugänglich ist“, sagt Görner-Schipp. Auch heute spiegelt das Angebot den Zeitgeist wider: Klimawandel und Rassismus stehen ebenso auf der Agenda wie Musik-, Sprach- und Kochkurse. Manche Kurse sind echte Dauerbrenner. Seit 30 Jahren steht „Von Sokrates zu Sartre“ im Programm. Sogar der Titel sei gleich geblieben, sagt Görner-Schipp.

Wenn Sie den Artikel mögen?

Teilen Sie den Artikel mit Ihren Freunden

Verwandte Nachrichten