Das Kloster St. Katharina zu Nürnberg
Unbemerkt des 650-jährigen Geburtstags der Stadtbibliothek fand im letzten Jahr in unmittelbarer Nähe noch ein weiteres Jubiläum statt: Das Gebäude des ehemaligen Katharinenklosters wurde 725 Jahre alt.
Bildungscampus Nürnberg |
Eine kurze Reise durch 725 Jahre Geschichte
Unbemerkt des 650-jährigen Geburtstags der Stadtbibliothek fand im letzten Jahr in unmittelbarer Nähe noch ein weiteres Jubiläum statt: Das Gebäude des ehemaligen Katharinenklosters wurde 725 Jahre alt. Dieses stolze Alter nahm die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg zum Anlass, um auf Spurensuche zu gehen. 18 Fotografien aus dem 19. und 20. Jahrhundert sowie Reproduktionen historischer Stiche und Zeichnungen des Klosters sind nun vor Ort im Katharinenkloster, Stadtbibliothek Zentrum, Ebene K2, Gewerbemuseumsplatz 4, zu sehen. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek Zentrum, Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr und Samstag 11 bis 16 Uhr, zugänglich und kostenfrei.
Gestiftet wurde das Kloster am 23. Mai 1295 durch den Patrizier Konrad von Neumarkt und seiner Frau Adelheid aus dem alten Patriziergeschlecht Pfinzing von Henfenfeld. Die neben dem Klosterkomplex befindliche Kirche St. Katharina stiftete der Patrizier Krafft Lang. 1297 wurden beide Gebäude durch Bischof Leopold von Bamberg geweiht. Dank der großzügigen Ausstattung seiner Gönner erlebte das Kloster einen ersten Aufschwung.
Mit der Zeit stellte sich jedoch eine gewisse Nachlässigkeit ein. Nicht zuletzt deshalb erfuhr das Katharinenkloster 1428 eine Reformierung durch zehn Nonnen aus dem Kloster Schönensteinbach, wobei die strengen Ordensregeln wieder angenommen wurden. Dennoch gelang es den Dominikanerinnen, sich innerhalb des strikten Klosteralltags ihre Unabhängigkeit zu bewahren.
Nach der im Jahr 1428 durchgeführten Reform widmeten sich die Nonnen mit Hingabe der Produktion und Beschaffung von Literatur. Bis ca. 1500 wurde die bis dahin nur 46 Codics zählende Büchersammlung auf eine 500-600 Bände umfassende Bibliothek ausgebaut.
Da den Nonnen die Bildungsmöglichkeiten der Männer verwehrt blieben, rezipierten sie vor allem deutsche Texte. Als herausragendes Beispiel für ihre Schaffenskunst seien die acht Bände umfassenden Chorbücher St. Katharina genannt.
Diese Büchersammlung gilt als einer der umfangreichsten Bibliotheken, die aus einem deutschsprachigen Frauenkloster bekannt ist. Fast 200 Bände sind heute in der Stadtbibliothek Nürnberg erhalten.
Knapp einhundert Jahre später erfuhr die dominikanische Observanzbewegung eine strikte Ablehnung durch protestantische Theologen.
Der Nürnberger Rat und weite Teile des Patriziats schlossen sich 1525 der lutherischen Reformation an. Damit war das Schicksal des Dominikanerinnenklosters St. Katharina zu Nürnberg besiegelt.
Die Nonnen leisteten insofern erfolgreichen Widerstand, als dass sie ihr Ordensleben noch weiterführen durften. Doch wurde ihnen die Aufnahme neuer Novizinnen verboten, sodass der stetige Niedergang unaufhaltsam war. Nach dem Tod von Priorin Kordula Knörrin (1596) wurde das Kloster aufgelöst und von der Stadt übernommen.
Der Klosterkomplex wurde nun eher weltlichen Dingen zugeführt. Bis 1620 nutzten die Nürnberger Meistersinger das Gebäude, die Kirche sogar noch bis 1778.
1699 zog die Akademie der Bildenden Künste in das ehemalige Katharinenkloster und hielt dort bis 1806 Lehrveranstaltungen ab. Damit erlangte das Kloster eine neue Bedeutung. Die Akademie galt als eine der wichtigsten Orte für die schulische Kunstausbildung in Deutschland zur Barockzeit.
Ab dem 19. Jahrhundert verlor der Klosterkomplex zunehmend an Bedeutung und diente mehr nur noch profanen Zwecken. 1813 wurde im Klosterkomplex ein Militärlazarett und ein Leichenbeschauinstitut eingerichtet. Die Stadtmauer zwischen den Pegnitzauen und der Katharinengasse wurde ab den 1870er Jahren niedergelegt. Zu Ehren des Prinzregenten Luitpold wurden um 1906 die Nebengebäude des Katharinenklosters abgerissen, um Platz für das Luitpoldhaus zu schaffen. Ebenso entstand das Bayerische Gewerbemuseum auf dem Areal.
Ab den 1920er Jahren kam etwas von den alten Glanzzeiten zurück. Die Kirche wurde umfassend saniert und aufgrund ihrer besonderen Akustik benutzte der Deutsche Sängerbund sie für seine Auftritte. Bis in die 1930er zählte sie damit zu Nürnbergs wichtigsten Konzertsälen. Im Dritten Reich und auf Betreiben des Oberbürgermeisters Willy Liebel wurden die Reichskleinodien von Wien nach Nürnberg verbracht und ab 1938 in der Katharinenkirche ausgestellt.
Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden sie an einem sicheren Ort versteckt. Auch die wertvollsten Bestände des Deutschen Sängerbundes wurden in den Schutzkellern des Germanischen Nationalmuseums untergebracht.
Bis 1944 blieben das Katharinenkloster und die Kirche bei Luftangriffen nahezu unbeschädigt. Nur einmal, im Oktober 1944 wurde der Komplex von 18 Brandbomben getroffen, die jedoch schnell wieder gelöscht werden konnten, sodass keine größeren Schäden entstanden. Am 2. Januar 1945 erlebte Nürnberg seine schlimmste Nacht während des Zweiten Weltkriegs. Nahezu die gesamte Altstadt wurde dem Erdboden gleichgemacht. Dasselbe Schicksal traf auch den Klosterkomplex.
Von zahlreichen Brandbomben getroffen, brannte das Kloster bis auf die Umfassungsmauern vollständig aus.
Nachdem die Nürnberger Bürgerinnen und Bürger die Trümmer weggeräumt hatten, blieben die Kirche und das Kloster jahrelang nur als Ruine bestehen.
Durch den Bau der Meistersingerhalle ab 1950 spielte die Katharinenkirche weiterhin nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch erkannte die Stadt bald, dass wenigstens die wertvolle Bausubstanz gerettet werden musste. 1960 erfolgten die ersten Sanierungsmaßnahmen an der Kirche, sodass neun Jahre später erstmals wieder ein Konzert in der Ruine stattfinden konnte: Die Nürnberger Symphoniker spielten Haydns 4. Sinfonie.
Trotz allem blieb der Zustand des ehemaligen Klostergebäudes beklagenswert, zumal die konservatorische Erhaltung viel Geld kostete.
Erst 1973 nahm man sich des Katharinenklosters wieder an. Es kam die Idee auf, die Stadtbibliothek, die bisher nur im Luitpoldhaus untergebracht war und längst aus allen Nähten platzte, um den Klosterkomplex zu erweitern. Einer der bekanntesten Architekten Nürnbergs, Dr.-Ing. Friedrich Seegy, der sich auch um den Wiederaufbau der Stadt verdient gemacht hatte, übernahm das Projekt.
Er arbeitete drei verschiedene Ansätze aus, von denen der dritte Entwurf 1977 die Zustimmung des Stadtrates fand. Die Rohbauarbeiten begannen im Oktober 1978. Der Grundstein wurde am 24. November 1978 gelegt. Bereits zwei Jahre später, am 22. Mai 1980 wurde Richtfest gefeiert.
Baureferent Otto-Peter Göhrl bezeichnete die Sanierung des ehemaligen Katharinenklosters als „die schwierigste historische Baustelle nach dem Krieg“ (vgl. Nürnberger Nachrichten, 21.01.1984).
Insgesamt beliefen sich die Kosten von ursprünglich veranschlagten 2,7 Millionen DM auf 14,6 Millionen DM.
Durch den Verzicht auf das aufgestockte Fachwerkgeschoss, das man Anfang der 1920er Jahre errichtet hatte, glich sich das sanierte Klostergebäude dem ursprünglichen Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert wieder an.
Seegys wohldurchdachte Planung wurde 1986 mit dem ‚Europa-Nostra’-Diplom ausgezeichnet. Jene Auszeichnung wird an herausragende Projekte vergeben, die dem Erhalt des kulturellen Erbes in Europa dienen.
Seit nunmehr 37 Jahren ist das ehemalige Katharinenkloster fester Bestandteil der Stadtbibliothek.
Von Herbst 2020 bis ins Frühjahr 2021 erfuhr der Klosterkomplex eine weitere Renovierung. Der alte Teppichboden sowie die Elektrik wurden erneuert, die Wände gestrichen. Im Zuge dessen wurden auch die Bestände neu aufgestellt, um unseren Kundinnen und Kunden ein noch besseres Zurechtfinden zwischen den Regalreihen zu ermöglichen.
Die Katharinenkirche ist noch heute eine Ruine, denn sehr zu Friedrich Seegys Bedauern wurde das Dach nie wieder aufgebaut. Heute finden dort in den Sommermonaten die beliebten St. Katharina Open Air Konzerte statt. Das ehemalige Kloster St. Katharina blickt auf eine mehr als 700-jährige wechselvolle Geschichte zurück. Gleichzeitig schließt sich damit der Kreis und unsere Reise, denn jene Werke, die im 15. Jahrhundert in mühevoller präziser Handarbeit geschaffen wurden, ruhen – bestmöglich geschützt vor Verfall – in den Magazinen der Stadtbibliothek Nürnberg.
Nachwort:
Diese historische Fotoausstellung wäre nicht möglich gewesen ohne die Mitwirkung des Stadtarchivs Nürnberg. Dieses hat die Fotos zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns an dieser Stelle für die unentgeltliche Überlassung der Bilder. Auch den überaus hilfsbereiten Mitarbeitern des Archivs möchte ich danken!
Ebenso gebührt dem Team der Buchbinderei und Restaurierung ein großes Dankeschön. Die Kolleginnen zeichneten sich durch eine großzügige Unterstützung bei der eigentlichen Umsetzung der Fotoausstellung aus.
Zuletzt möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser danken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diese Zeilen zu lesen und die Ausstellung auf K2 zu besuchen. Ich hoffe, damit Ihr Interesse und Ihr Bewusstsein dafür geweckt zu haben, in welch einem historischen Gebäude Sie sich aufhalten. Ob sich die Nonnen je hätten vorstellen können, dass aus ihrem Kloster mal eine Bibliothek werden würde? Wer weiß, vielleicht wäre dies ja sogar in ihrem Sinne gewesen …
Autorin: Sarah Dieke