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Theaterkritik von Walter Grzesiek zum neuen Stück „Nudelpest“ vom Theater Dreamteam

Man muss sich Viren als glückliche Geschöpfe vorstellen. Zumindest wenn diese Biester von Jörg Kloss, Olgierd Rogoczinsky und Matthias Egersdörfer dargestellt werden.

Gast Autor*in |

Bildungszentrum

Man muss sich Viren als glückliche Geschöpfe vorstellen. Zumindest wenn diese Biester von Jörg Kloss, Olgierd Rogoczinsky und Matthias Egersdörfer dargestellt werden. Mit seinem neuen Stück „Nudelpest“ hat das Theater Dreamteam das harte Thema Pandemie heftigst mit dem Lachvirus infiziert. Und schafft trotz Gaudi ein bedrückendes Szenario unserer Corona-Welt.

Die drei Viren also, dies sei verraten, sitzen in ihren böse-gelben Plastikklamotten schließlich glücklich mit ihren Drinks am Strand (Kostüme gewohnt fantasievoll von den Noris Inklusion-Betrieben Pik 14 und Chroma Omada). Denn die „Wirrologen“ (beamtenmäßig korrekt und stumpfsinnig: Klaus Keintzel und Rüdiger Kolmetz) erkennen, dass sie diese gemeinen Zellen gar nicht ausrotten, sondern nur in Urlaub schicken können. Und als im Verlauf dieser gemeinen Nudelpest schon einige Menschen, gut sichtbar von langen Nudeln an Nase oder Ohr gepeinigt, über die Bühne schlurfen, kommt noch der Aluhut mit seinem Schild daher: „Es gibt keine Nudelpest“. Ja, das wäre schön!

Theater Dreamteam
Das Theater Dreamteam bei ihrem Stück "Nudelpest". / © Uwe Niklas

Die Regisseure Jürgen Erdmann und Sigi Wekerle haben mit dem Theater von Menschen mit und ohne Behinderung viele Facetten der aktuellen Debatten in intensive Szenen umgesetzt. Beim Proben war Abstand gefragt, man übte ein Jahr lang in Kleingruppen- Erst kurz vor der Premiere wuchs das Stück knackig und stimmig im Hubertussaal zum breiten Sittengemälde zusammen.

Theater Dreamteam

Nämlich so: Die nimmermüden Viren kämpfen um ihren Platz in der Lunge. Die plötzlich arbeitslosen Künstler inszenieren – zum Putztrupp degradiert – Shakespeare am Klo (Frank Schreiner gewohnt spielfreudig, Tiago Graf als Revoluzzer, Marco Fatfat mit Sinn für Höheres). Das Klopapier raffende Ehepaar (perfekt: Heidrun Müller und Sigi Wekerle) entdeckt zwangsweise die Freuden der heimischen Zweisamkeit – inklusive gekonnter Egersdörfer-Persiflage im Home office. Die im Homeschooling verschimmelnde Enkelin (eine ausdrucksstarke und empathische Theresa Dümmler) animiert ihre ebenfalls gelangweilte Oma (rührend: Ursula Schrade) zum Egoshooter-Spiel. Und das mit Metermaß auf Abstand getrimmte junge Liebespaar (verzweifelt verknallt: Linda Heinze und Mario Fröhlich) findet vor lauter Angst nie zueinander.

Die pandemische Komödie war an fünf Abenden ausverkauft und riss das pandemiebedingt begrenzte Publikum zu Beifallsstürmen, aber vor allem zu vielen sich selbst erkennenden Lachern hin. Schon das letzte Stück „Nürnberg first“ zur (damals noch nicht gescheiterten) Kulturhauptstadt-Bewerbung war ein kluges Meisterstück augenzwinkernder Gesellschaftskritik. „Die Nudelpest“ ist noch näher an unseren Ängsten, Hoffnungen und Widersprüchen. Wiederaufführung leider erst wieder im Dezember Auf AEG.

Walter Grzesiek

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