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„Was damals in Filmen utopisch war, ist inzwischen im Alltag angekommen“

In der Raumfahrt sieht Markus Söder einen wichtigen Wirtschaftsfaktor

Gast Autor*in |

MINT, Planetarium

Als der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder seine Pläne zum Ausbau der Weltraumforschung in Bayern vorstellte, erntete er viel Skepsis. In einem Interview mit dem Bildungscampus Nürnberg erläutert er, warum die Erforschung des Alls für ihn weitaus mehr mit der Lösung von Problemen auf der Erde zu tun hat als mit der Erkundung fremder Galaxien.

Derzeit scheinen die Probleme auf Erden so groß zu sein, dass sie zumindest die deutsche Politik offenbar nicht in den Griff bekommt. Ist es da ein guter Zeitpunkt, ein Weltraum-Programm voranzutreiben?

Die Erde ist unsere wertvollste Perle. Wir müssen sie schützen und erhalten. Die Astronauten der frühen Apollo-Missionen haben einmal erzählt, wie sprachlos sie der Blick aus dem All auf unseren blauen Planeten gemacht hat. Erst durch die Betrachtung von außen haben sie die ganze Schönheit realisiert. Das ist ein Antrieb für unser Raumfahrt-Programm „Bavaria One“. Es geht nicht um die Erkundung fremder Galaxien, sondern um den Blick von oben auf die Erde. Dadurch können wir aus dem All konkrete Lösungen für die Probleme der Menschheit entwickeln – sei es bei der Ökologie, für eine nachhaltige Landwirtschaft und die Medizin. Deswegen ist es wichtig und richtig, genau jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen und kräftig zu investieren. Bayern macht das. Wir dürfen Innovationen nicht ausschließlich den USA oder China überlassen, sondern müssen selbst forschen. Wir müssen um das besser sein, was andere billiger sind. Nur dann werden wir Wohlstand und Arbeitsplätze auf Dauer bei uns halten können.

Der Begriff „Bavaria One“ reizt zum Spott, denkt man doch an die kürzlich verstorbenen Brüder Fritz und Elmar Wepper, die einst mit ihrem mit Bier angetriebenen Raumschiff im All herumkreuzten. Wäre ein anderer Titel nicht besser geeignet?
Unser Gesamtkonzept ist die Hightech Agenda Bayern. Wir investieren darin 5,5 Milliarden Euro in Wissenschaft und Forschung. Damit ist Bayern Pionier für Künstliche Intelligenz, Luft- und Raumfahrt. Wir schaffen im Freistaat allein 100 Lehrstühle für KI – das ist genauso viel wie der Bund insgesamt macht. In Nürnberg bauen wir mit der UTN eine neue Universität auf, die sich rein auf Künstliche Intelligenz spezialisiert. Dieses Forschungsfeld ist wie der Urknall für ein neues Wissensuniversum. Und in München entsteht Europas größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt an der TU München. Insgesamt schaffen wir 1.000 Professuren, 13.000 neue Studienplätze und 20 neue Spitzenforschungszentren überall im Land. In das Luft- und Raumfahrtprogramm investieren wir allein 700 Millionen Euro. Die Erfolge sind bereits messbar: Viele Experten aus der ganzen Welt wurden auf uns aufmerksam und kommen in den Freistaat. Die klügsten Köpfe wollen bei uns lehren und forschen. Wir sind das Silicon Valley Deutschlands.

In München entsteht Europas größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt, wodurch die Weichen Richtung Zukunft gestellt werden / © Adobe Stock

Seit Elon Musk die Raumfahrt für seine Geschäfte entdeckt hat, steht die Vermarktung des Alls auch Privatinvestoren offen. Ist die Raumfahrt wirklich eine Aufgabe für eine Bayerische Landesregierung? Sollte ein so ambitioniertes Raumfahrtprogramm nicht eher eine nationale Angelegenheit sein?
Die Hightech Agenda ist unser Bekenntnis für ein erfolgreiches Bayern auch in der Zukunft. So etwas bräuchte es für ganz Deutschland. Es braucht ein „Und“ und kein „Oder“. In den letzten Jahrzehnten gab es enorme Entwicklungen, bei denen wir dabei sein sollten. Seit der Jugend bin ich großer Fan von Raumfahrt und Science-Fiction – und was damals in manchen Filmen utopisch war, ist inzwischen in unserem realen Alltag angekommen. Ich bin kein Dystop, sondern Optimist. In Star Trek heißt es: „Space – the final frontier“. Stimmt das noch? Die Wissenschaft überwindet täglich neue Grenzen, und das in Warp-Geschwindigkeit. Deshalb glauben wir an wuchtige Investitionen in Forschung. Sie wirken noch dazu nachhaltiger als teure Subventionen in einzelne Chipfabriken. Zudem bräuchte es vom Bund eine Förderung des Mittelstands in der Breite mit niedrigeren Steuern, niedrigeren Energiepreisen und weniger Bürokratie. Wir in Bayern arbeiten hart dafür, dass wir unseren starken Wirtschaftsstandort und unsere Familienbetriebe erhalten – und damit Wohlstand für alle. Das müsste sich auch die Bundesregierung zu Herzen nehmen. Leider macht die Ampel stattdessen immer wieder schwerwiegende Fehler und setzt auf Ideologie statt auf Vernunft. Deutschland fällt zurück, während andere Länder zulegen. Ein alter Grundsatz gilt immer noch: Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.

Ist es denkbar, dass Bayern durch das Raumfahrtprogramm ein eigenes Satellitensystem unterhält und damit von globalen Krisen unabhängiger agieren könnte?
Satellitenforschung ist ein entscheidender Baustein der Hightech Agenda. Wir machen das aber nicht allein, sondern in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen und Ländern. Erst kürzlich war ich nördlich des Polarkreises in Schweden im Esrange Space Center. Dort sind auch Firmen aus Bayern tätig und testen ihre Entwicklungen für Raketenantriebe und Satelliten. Darauf sind wir sehr stolz. Es ist gut, wenn solche Zukunftstechnologien aus Bayern heraus entwickelt und gebaut werden. Seit einiger Zeit ist die Bevölkerung viel sensibler geworden, was die Verwendung ihrer hart erarbeiteten Steuergelder betrifft. 700 Millionen Euro haben Sie für das Projekt erst einmal in Aussicht gestellt.

Der Ministerpräsident reiste kürzlich nach Schweden zum Esrange Space Center / © dpa

Spüren Sie eine Akzeptanz für die Weltraumpläne der Landesregierung?
Das große Interesse an Ihrem Nicolaus-Copernicus-Symposium ist das beste Beispiel. Bei der Einführung unseres Programms wurden wir von manchen belächelt – heute ist es eine Erfolgsgeschichte. Bayern ist mit 550 Unternehmen und zwölf Milliarden Euro Umsatz die stärkste Luft- und Raumfahrtregion in Deutschland. 65.000 Beschäftigte in Bayern arbeiten in dieser Branche! Wir sind Top-Raumfahrtstandort. Zudem werden wir dank der Hightech Agenda von Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt überrannt, müssen ständig neue Raumkapazitäten schaffen. Dadurch versorgen wir Start-ups und große Unternehmen mit hochqualifiziertem Nachwuchs.

Ist ausschließlich an eine zivile Nutzung gedacht oder auch an einen Beitrag zur Landesverteidigung?
Bei der Hightech Agenda Bayern geht es allen voran um Forschung und den Wissenstransfer von den Hörsälen
in die Praxis. Nicht nur für den Bereich Luft- und Raumfahrt, sondern auch bei CleanTech, KI und Super-Computing. Davon unabhängig muss Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit dringend erhöhen. Dazu gehören neben guter Ausrüstung und Munition selbstverständlich auch neue Technologien gegen neue Bedrohungen. Wir bräuchten in Deutschland beispielsweise eine Drohnenarmee. Es ist wichtig, dass solche Technologien dann auch bei uns im Land entwickelt und gebaut werden.

Manche größeren technologischen Fortschritte basieren auf Forschungsergebnissen der Weltraumerkundung. Was versprechen Sie sich von dem Raumfahrtprogramm für Bayern? Bleibt alles im Großraum München konzentriert oder wird Nürnberg auch eine Rolle spielen?
Wir spannen ein Forschungs-Netz über ganz Bayern. Die zwei Knotenpunkte davon sind München und Nürnberg mit den beiden Technischen Universitäten. Mit der UTN entsteht in Nürnberg die erste neue Universität in Bayern seit über 40 Jahren. Wir investieren über eine Milliarde Euro in 6.000 Studienplätze und über 200 Professuren. In einem einzigartigen Konzept verknüpfen wir digitales Lernen und interdisziplinäre Departments nach internationalem Vorbild und binden auch ethische Fragen der Forschung ein. Das ist ein klares Bekenntnis zu Nürnberg und ganz Franken. Die bemannte Raumfahrt ist teuer und birgt viele Risiken für Mensch und Umwelt.

Manche träumen von einem Weltraum-Tourismus. Sie sind bekennender Fan von Filmklassikern wie Star Wars, Raumschiff Orion und anderen. Würden Sie einen Flug ins All unternehmen, wenn Sie die Gelegenheit dazu hätten?
Ich bin großer Raumfahrtfan – aber bleibe doch lieber hier auf der Erde. Zwei meiner Lieblingsfilme sind „Der Marsianer“ oder „Ad Astra“. Mir ist doch wohler dabei, sie auf dem Sofa anzuschauen, als selbst in einem Raumschiff zu sitzen. Ich wüsste aber den ein oder anderen, den ich gerne mal zum Mond schicken würde (lacht).

Interview: Petra Nossek-Bock

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