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„Die demokratische Bildung ist ein wesentlicher Auftrag“

Kunterbunt sind die Interessen unserer Stadtgesellschaft – das Bildungszentrum (BZ) spiegelt sie erfolgreich wider. Doch: Reicht das aus? Welche Rolle spielt das BZ heute, und ist es fit für die Zukunft? Oberbürgermeister Marcus König erklärt, wo er spezielle Aufgaben des BZ sieht, aber auch dessen ganz besondere Chancen…

Gast Autor*in |

Bildungszentrum

OB Marcus König lobt das BZ als Quelle seriöser Informationen

Kunterbunt sind die Interessen unserer Stadtgesellschaft – das Bildungszentrum (BZ) spiegelt sie erfolgreich wider. Doch: Reicht das aus? Welche Rolle spielt das BZ heute, und ist es fit für die Zukunft? Oberbürgermeister Marcus König erklärt, wo er spezielle Aufgaben des BZ sieht, aber auch dessen ganz besondere Chancen…

100 Jahre Bildungszentrum – wie sieht der Oberbürgermeister diesen Geburtstag?

Marcus König: Es ist enorm, wie sich das BZ über die Zeit weiterentwickelt hat! Für Nürnberg ist es so wichtig wie damals – und für die Metropolregion ein bedeutender Baustein. Das Besondere am BZ ist, dass es ein Allround-Versorger ist: vom Spezialangebot über Musik, Tanz, Sprachen oder Kompetenztraining bis hin zur Haushaltsführung und Persönlichkeitsentwicklung: Das BZ kann dich in allen Lebenslagen führen, leiten und begleiten.

OBM Marcus König
Nürnbergs Stadtoberhaupt blättert gern im dicken Kursprogramm. / © Masha Tuler

Haben Sie selbst schon Kurse belegt?

Ich selbst nicht, doch als Vater war ich mit meinem Sohn beim Koch- und Backkurs, auch einen Theaterkurs haben wir gebucht. Wir waren im Südpunkt, in der Villa Leon, am Gewerbemuseumsplatz… Das BZ ist auch für Kinder toll, Schulbildung ist schließlich das eine, Sozialbildung das andere. Man will hier alle Generationen erreichen.

Gelingt das?

Ja, das Programm spricht ein breites Publikum an, ist generationenübergreifend und so vielfältig wie die Stadt selbst. Möchte der eine seine Freizeit gestalten, steht beim anderen das berufliche Fortkommen im Zentrum; diese Vielfalt finde ich spannend. Du lernst das BZ etwa mit einem Planetariums-Kurs im Kindesalter kennen und kannst dich bis ins Seniorenalter weiter entwickeln und bilden. Lebenslanges Lernen!

Wo steht das BZ innerhalb der Stadtgesellschaft?

Es hat einen hohen Stellenwert! Das BZ schafft es gut, die Menschen mitzunehmen, auch unterschiedliche Sichtweisen anzubieten. Von Digitalisierung bis Klimawandel – hier kann sich der Einzelne fit für die Zukunft machen.

Und welche Rolle spielt eine Volkshochschule heute angesichts der Gefahren für Demokratie und Freiheit in der Gesellschaft?

Nun, Informationsquellen gibt es zwar heute zuhauf, trotzdem stellen wir fest, dass wir oft weniger wissen. Wie ist ein Staat aufgebaut? Leider gibt es da ein großes Wissensdefizit. Doch welche Informationen sind seriös? Das BZ ist hier eine vertrauenswürdige Bildungseinrichtung. Und Informationen von einer seriösen Quelle sind eine Bringschuld: Die demokratische Bildung ist ein wesentlicher Auftrag des Bildungszentrums, auch für die Kommunalebene.

Wird das BZ dieser besonderen Rolle derzeit gerecht?

Es gibt Kurse zur demokratischen Bildung. Wir haben aber festgestellt, dass sich dieses Wissen nur wenige abholen. Viele wissen gar nichts von diesem Angebot. Vielleicht sollte man diese Kurse noch mehr bewerben. Wenn wir es nicht schaffen, diese Informationen an die Menschen zu bringen, schwächen wir die Demokratie. Denn dann suchen sich die Menschen andere Informationsquellen, die häufig durch Fake News getragen werden.

Erreicht das BZ denn auch jene Bevölkerungsschichten, die Weiterbildung besonders nötig haben?

Man darf nie aufhören zu überlegen: Wie erreiche ich die Menschen in einer Großstadt? Wichtig ist, direkt in entsprechende Stadtteile zu gehen und die Menschen dort über andere Bezugspunkte „einzufangen“, damit Hemmschwellen, die einer Weiterbildung im Wege stehen, abgebaut werden können.

Sie selbst verkörpern ja eindrucksvoll, was man durch Weiterbildung…

…für einen gesellschaftlichen Beitrag leisten kann, richtig. Ich bin keinen geraden Weg gegangen, sondern kam über den zweiten Bildungsweg. Und das ist genau das, was auch das BZ anbietet. Es ermöglicht, Schulabschlüsse nachzuholen und sich beruflich weiterzuentwickeln: eine zweite Chance. Das muss unbedingt erhalten bleiben.

Gilt das auch für Powerkurse, Lehrgänge oder Zertifikats-Erwerbe, die preislich in einer ganz anderen Liga als der übliche BZ-Kurs spielen und auch von Spezial-Institutionen angeboten werden – sollte man sie weiter ausbauen?

Da gilt für mich das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wird das angenommen, kann man es auch weiter ausbauen. Man muss beim BZ ja auch nicht Mitglied werden, sich in irgendeiner Form binden. Man kann über Wochen hinweg Kurse belegen oder einen Crash-Kurs am Wochenende machen.

Die Kursbeiträge sind in der Regel sehr moderat. Über diese Gebühren zahlt das BZ die Miete für den Gewerbemuseumsplatz. Träger des BZ mit seinem öffentlichen Bildungsauftrag ist die Stadt. Nun kam Corona. Was wird sich dadurch ändern?

Was durch Kurse nicht eingespielt wurde, trägt die Stadt – letztlich aber trägt der Steuerzahler den Fehlbetrag. Viele freiberufliche BZ-Dozenten brachte Corona in Existenznot: Kein Kurs, kein Geld. Umso schöner ist es, dass es wieder weitergehen kann. Das BZ ist eine wertvolle Institution in der Region, auch für Künstler.

Haben vor diesem finanziellen Hintergrund Angebote wie „Waldbaden“, „Sich erden mit Pferden“, „Blumentüten-Arrangements“ oder die 500. Yoga-Kurs-Variante die gleiche Berechtigung wie ein Englisch-Kurs?

Ja, weil das alles Eingangskanäle sind: Wer beim „Waldbaden“ war, macht das nächste Mal vielleicht einen Sprachkurs. Über den einen Ast kann man andere Äste erreichen – und der Stamm ist stabil. Das BZ sollte immer auch ein Preissegment anbieten, das sich alle leisten können. Und auch Kurse, die sich vielleicht nicht immer selbst tragen, doch das Konzept insgesamt trägt sich.

Was bedeutet das für die künftige Ausrichtung des BZ?

Bildung ist unser Rohstoff. Wenn wir den Geist und die Persönlichkeit weiterbilden wollen, kann uns das BZ voranbringen. Sozialkompetenzen werden hier geschärft, vielleicht gerade bei Arabisch oder Chinesisch für Anfänger. Ein Think-Tank kann da entstehen, wenn Leute unterschiedlicher Interessen – Kreative wie Fortbildungswillige – zusammenkommen. Menschen entwickeln sich weiter, der Wandel ist täglich zu erkennen. Und das BZ kann ihn mitgestalten.

Einen Wandel hätte man gern in München gesehen und den Gewerbemuseumsplatz 2 komplett mit dem Gesundheitsministerium belegt. 2019 entschied der Stadtrat dagegen: Das BZ bleibt – auch auf überwältigenden Wunsch der Nürnberger – im Haus. Wie stehen Sie dazu?

Ein klares Bekenntnis von mir: Das BZ bleibt auch künftig im Gewerbemuseumsplatz 2!

Läuft also alles super, immer weiter so, Bildungszentrum?

Das BZ darf niemals stehen bleiben! Es wird immer neue wichtige Themen geben, und das Programm wird jedes Jahr neu geschrieben. Die Spanne vom Experten, der was draufsetzen will, bis zu jemandem, der in Italien mehr möchte, als im Restaurant zu bestellen, sollte erhalten bleiben.

Mit der Technischen Universität Nürnberg (TUN) wird die Stadt mehr denn je zu einem Brain-Standort, Nürnberg ist mehr Hochschulstandort als früher. Wie passt hierzu das BZ-Angebot?

Das BZ unterstreicht, dass man nicht nur mit einer Hochschul-Ausbildung weiterkommt. Der Bildungsbereich ist allgemein sehr gut vernetzt – vielleicht wird es ja Verknüpfungspunkte geben, und das BZ geht Kooperationen mit der TUN ein.

Dann hält ein TUN-Professor einen Vortrag am BZ?

Das kann ich mir gut vorstellen. Zudem sind alle dort potenzielle neue Kursbesucher: Vielleicht möchte ein Student zwischendurch ja mal waldbaden oder kochen?

Ist das BZ also fit für weitere 100 Jahre?

Absolut. Auch in einer Welt, die nochmal einen digitalen Sprung machen wird. Es ist hochaktuell. Wäre es noch nicht erfunden, müssten wir es erfinden.

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