Passende Angebote für die Gestaltung des ganzen Lebens
Über die Bedeutung und Zukunftsaussichten der Institution sprachen wir zum 100-jährigen Jubiläum mit Bürgermeisterin Julia Lehner.
Gast Autor*in |
Julia Lehner möchte alle Bevölkerungsgruppen ansprechen
Über die Bedeutung und Zukunftsaussichten der Institution sprachen wir zum 100-jährigen Jubiläum mit Bürgermeisterin Julia Lehner.
Frau Professor Lehner, mit dem Geschäftsbereich Kultur sind Sie auch für das Bildungszentrum zuständig. Welche Rolle spielt das Bildungszentrum im Kulturreferat?
Julia Lehner: Das Kulturreferat ist ein heterogener städtischer Geschäftsbereich. Und unter diesem Dach firmiert vom Archiv über die Kulturläden bis hin zum Bildungscampus, der sich um das BZ gliedert, eine Menge von nach außen wirkenden, unterschiedlich ausgerichteten Institutionen. Diese haben jedoch einen gemeinsamen Nenner: Kultur und Bildung. Ein Zwillingspaar: Ohne Kultur keine Bildung und ohne Bildung keine Kultur. Das fließt ineinander und insofern ist das Bildungszentrum ein essentieller Teil des Ganzen.
Noch vor einigen Jahrzehnten lautete ein Werbeslogan: „Statt ins Bett ins BZ“. Spürt das BZ mittlerweile Konkurrenz durchdigitale Angebote? Sprachen kann man auch online lernen.
Das BZ war immer schon sehr fortschrittlich. Hier wurden frühzeitig Kursangebote gemacht, um den Computer und die digitale Welt für die Besucherinnen und Besucher zu erschließen. Auf der einen Seite war das BZ Leitplanke und Orientierungshilfe auf dem Weg ins digitale Zeitalter. Speziell durch die Pandemie wurde es notwendig, das Publikum
auf digitalem Wege zu erreichen. Die bestehenden Online-Angebote waren da sehr hilfreich, das digitale Angebotsspektrum wurde natürlich massiv ausgebaut. Wir wissen aber, dass nichts den analogen Austausch ersetzen kann.
Hat sich die Klientel des BZ sozial und altersmäßig verändert?
Ein großes Motiv der Volkshochschulen allgemein ist das sogenannte lebenslange Lernen. Das bedeutet, dass jeder Mensch – gleich welchen Bildungshintergrunds und oder welcher Generation – die Chance auf das Bildungsangebot, das er für notwendig erachtet, auch erhält. Das ist eine ganz große Leistung und hierfür gebührt den Volkshochschulen insgesamt hohe Anerkennung. Als Beispiel möchte ich etwa den beeindruckenden Bildungshunger der älteren Generation benennen, der eben nicht mit dem Austritt aus dem Berufsleben endet. Das BZ hat aber auch die Aufgabe, in einer sich immer mehr internationalisierenden Gesellschaft, Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft passende Angebote zu machen. Es ist also notwendig, sich immer wieder neuen Anforderungen zu stellen.
Vor einigen Jahren gab es, angestoßen vom damaligen OB Ulrich Maly, die Idee, das aus München umziehende Gesundheitsministerium im Gewerbemuseum anzusiedeln. Diese Idee wurde verworfen. Bleibt der Gewerbemuseumsplatz das Zuhause des BZ?
Man muss wissen: Diese Immobilie befindet sich schon lange nicht mehr im Besitz der Stadt Nürnberg. Sie wurde verkauft, es wurden dann Teile zurückgemietet, die nun für das BZ genutzt werden. Mein persönliches Anliegen ist es jedoch, dass diese Räumlichkeiten dem BZ weiter zur Verfügung stehen. Das steht außer Frage. Aber es ist nicht allein der städtische Wille, der hier ausschlaggebend ist.
In den 1960er Jahren hatte das BZ-Programm zwischen 60 und 100 Seiten. Mittlerweile ist es ein Wälzer von 400 Seiten, der kostenlos im BZ und Buchhandlungen ausliegt. Ist das noch zeitgemäß?
Das Bestreben ist es, möglichst alle Menschen zu erreichen und anzusprechen. Und es gibt nach wie vor Bürgerinnen und Bürger, die eine Zeitung lesen und deren Medienverhalten sich unterscheidet von anderen, die Nachrichten nur digital abrufen. Deshalb ist das Kursangebot ja auch online einsehbar und buchbar. Ich gestehe: Dieses gewichtige Programm in der Hand zu halten, ist für mich nach wie vor ein positives Erlebnis.
Sehr viele Kunstschaffende sind oder waren ja als Kursleitende am BZ tätig. Hat das BZ in den schweren Zeiten von Corona für die Künstler unter seinen Kursleitern etwas getan, um ihnen das Überleben etwas zu erleichtern?
Das BZ bietet unter der Überschrift Gesellschaft und Kultur eine Reihe von Anknüpfungspunkten zu allen Sparten der Kunst. Natürlich wird hier ein entsprechender Nexus geschaffen. Darüber hinaus sprechen Sie hier eine Situation an, die für die freie Künstlerschaft allgemein, nicht nur für am BZ Tätige, problematisch war und ist. Selbstverständlich hat das Bildungszentrum, wie alle anderen Kultureinrichtungen der Stadt, versucht, das Angebotsportfolio und somit die Verdienstmöglichkeiten in den digitalen Bereich zu transportieren, aber es war während der Lockdowns natürlich nicht möglich, alles identisch abzubilden und den Status Quo aus vorpandemischer Zeit zu halten. Insbesondere zugunsten der Kursleitungen hat zudem der Freistaat ein entsprechendes Hilfsprogramm aufgesetzt. Ich verhehle aber nicht, dass es auch weiterhin eine wirklich schwierige Aufgabe ist, die betroffene Künstlerschaft in wünschenswertem Ausmaß zu unterstützen.