Mit Herz und Hand fürs Klima aktiv werden
Das Programm „Global denken. Lokal handeln“ will aufrütteln
Gast Autor*in |
Kurse rund um gesunde Ernährung, Umweltfragen und Bewegung: Das Thema Nachhaltigkeit ist beim Bildungszentrum (BZ) Nürnberg seit Langem fest verankert. So widmet sich das Programm regelmäßig dem Klima, der Natur, den Menschenrechten, der Energie, der Geschlechtergerechtigkeit, dem interkulturellen Lernen, der Migration und der kulturellen Vielfalt. „Global denken. Lokal handeln“ heißt dann auch ein Themenkomplex am BZ: In Führungen, Vorträgen, Workshops und digital werden dabei die Aspekte einer gerechten Welt von morgen erarbeitet und diskutiert.
Als Richtschnur gelten hierfür die im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs). Diese Agenda 2030 stellt quasi einen Zukunftsvertrag der Weltgemeinschaft dar, damit auch nachfolgende Generationen ein gutes Leben führen können. Dazu gehört die Reduzierung von Armut und Ungleichheit, eine hochwertige Bildung und Frieden – um nur einige Ziele zu nennen. „Seit 2023 setzt sich das BZ verstärkt dafür ein, über das Bildungsprogramm hinaus die Maxime der Agenda 2030 auch nach innen umzusetzen, also in der Organisation selbst zu verwirklichen“, sagt Tobias Wildner, studierter Politikwissenschaftler und Romanist, der am BZ gemeinsam mit der Kulturwissenschaftlerin Katharina Mittenzwei für das Vorantreiben dieser Prozesse zuständig ist.

„In der Natur ist Nachhaltigkeit besonders spürbar und es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten des Lernens an. Wir wollen Themen im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar machen“, erklärt Programm-Managerin Mittenzwei. Was das aktuelle Semester betrifft, wird es von Mai bis Juli unter dem Motto „Mit Herz und Hand auf dem Gemüsefeld“ erstmals einen praxisorientierten Kurs zum Konzept „Market Gardening“ geben. Darin erfahren Teilnehmende, was innovative Landwirtschaft bedeutet. Sie dürfen selbst mit anpacken und Gemüse pflanzen oder ernten – auf kleiner Fläche, aber mit großer Wirkung.
Die Idee ist nicht neu, wird aber neu gedacht. Schon im 19. Jahrhundert versorgten die Pariser Marktgärten eine ganze Großstadt mit frischem Gemüse. Auch im Nürnberger Umland entsteht diese Art des Anbaus vereinzelt wieder. Zentral sind dabei eine möglichst bodenschonende Bearbeitung und effiziente Handarbeit. Einen Traktor wird man vergeblich suchen. Nach einem Theorie-Workshop besuchen die Teilnehmenden drei Marktgärten in der Region: die „Veggie-Ranch“ in Winkelhaid, die „Alternative Landwirtschaft Am Hof “ in Kammerstein und den „Hof [v:]Erde“ in Kleinsendelbach. Von den Gemüsegärtnerinnen – allesamt Quereinsteigerinnen – erfahren sie, was diese antreibt und wie erfüllend das Arbeiten mit den Händen ist. Und wie das noch dazu zu einer besseren, zukunftsfähigen Landwirtschaft beitragen kann. „Die Tipps von den Profis lassen sich nicht zuletzt auch im eigenen Garten und zur Selbstversorgung anwenden“, so Mittenzwei.

Auch Sprachen sind in der Natur erlernbar. So werde ein Französischkurs angeboten, der auf dem Nürnberger Weltacker stattfinden wird, erläutert Tobias Wildner. Ein weiteres Beispiel für nachhaltige Bildung ist die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte: In Nürnberg gehört dazu die oft vernachlässigte Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit der Stadt. Ein „Dekolonialer Stadtrundgang“ – in Zusammenarbeit mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V. Nürnberg – soll diese Wissenslücken schließen: Neben offensichtlichen Überbleibseln der Kolonialgeschichte wie Straßennamen und Denkmälern werden auch die Verflechtungen zu dem Rassismus, wie wir ihn heute erleben, thematisiert und die Frage beantwortet, wie man der Fortdauer alter Denkmuster ein Ende setzen kann.
„In fast allen Programmbereichen finden sich Angebote zum Thema Nachhaltigkeit, auch die psychische Gesundheit gehört dazu“, fasst Wildner zusammen und nennt ein weiteres Programm-Highlight im Mai. Gerade mit Blick auf die Zukunft widmet sich dann die Diplompsychologin, Autorin und Mit-Initiatorin von Psychologists for Future, Lea Dohm, der Frage, wie wir in einer Welt voller Krisen psychisch gesund bleiben und ein gutes Leben führen können. „Stark im Wandel“ heißt ihr Buch, aus dem sie lesen und mit dem Publikum diskutieren wird.
Und wie lässt sich Nachhaltigkeit im organisatorischen Ablauf des Bildungszentrums selbst umsetzen? Naheliegend sind energetische und andere umweltschützende Maßnahmen, die längst auf den Weg gebracht sind: Papier wird eingespart, etwa durch die Abschaffung des gedruckten Programmes bis hin zur elektronischen Kommunikation im BZ. Doch viel mehr ist hier möglich: „Mit dem Begriff ,Whole Institution Approach‘ ist der Ansatz gemeint, die Nachhaltigkeit ganzheitlich in der gesamten Einrichtung zu verankern“, erklärt Mittenzwei. Dazu gehören Diversität und Partizipation bei den Beschäftigten, Fortbildungsmöglichkeiten, die ressourcenschonende Ausstattung der Kursräume im BZ, angemessene Arbeitsplätze, die Pflege von Netzwerken und Kooperationspartnerschaften und vieles mehr.
„Bei der Umsetzung dieses Whole Institution Approach ist noch ist viel Luft nach oben“, erläutert Tobias Wildner. „Es gilt, Strategien zu entwickeln und Pfade aufzuzeigen, wie wir leben können, was wir lehren. Akzeptanz für Nachhaltigkeit zu schaffen, ist dabei ein wichtiger Schritt.“ Und Katharina Mittenzwei fügt hinzu: „Das geht nur, wenn die Mitarbeitenden sowie die Kursleitungen mit an Bord sind. Und gleichzeitig darf man das Thema Nachhaltigkeit auch nicht überstrapazieren.“
Text: Susanne Stemmler