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Wissenschaft: „Das ist doch nur eine Theorie!“

Die Wissenschaft benutzt oft eine für Laien unverständliche Sprache – so das gängige Vorurteil.

Klaus Herzig | | Lesungen

MINT, Planetarium

Die Wissenschaft benutzt oft eine für Laien unverständliche Sprache – so das gängige Vorurteil. Das ist nicht ganz richtig, denn mit ein wenig Bemühen kann natürlich auch der Laie die wissenschaftliche Sprache erlernen: Schülerinnen und Schüler sowie Studierende tun dies ja auch, denn auch sie sind ja zunächst Laien. In der Wissenschaft kommt es auf Genauigkeit an, nicht nur bei den Messungen oder der mathematischen Formulierung, sondern eben auch bei der sprachlichen Beschreibung. Die Sache wird dadurch leider noch erschwert, dass manche Begriffe im Alltag anders verwendet werden als in der Wissenschaft. Ein solcher, für die Wissenschaft allerdings zentraler Begriff, ist die „Theorie“.

Im normalen Sprachgebrauch hat Theorie einen leicht negativen Einschlag. Wir reden von „Theorie und Praxis“ wenn wir andeuten wollen, dass eine Sache sich zwar leicht sagen, aber schwer machen lässt. Und oft sagen wir, dass wir etwas „theoretisch“ schon tun könnten, aber es im Grunde entweder nicht wollen oder es für unsinnig oder überflüssig halten. Der Begriff „Theorie“ beschreibt also etwas Schwammiges, schwer fassliches, noch nicht fertiges oder geklärtes. Die Nutzung in der Wissenschaftssprache ist dagegen eine ganz andere, ja gegenteilige. Hier steht eine „Theorie“ für ein festgefügtes, etabliertes und überprüftes System von Aussagen zur Erklärung von Tatsachen oder Erscheinungen und der ihnen zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten.

Während wir also im Alltag abschätzend „Das ist doch nur eine Theorie“ sagen, ist Theorie in der Wissenschaft das allerhöchste Gütekriterium. Was wir normalerweise gerne mit „Theorie“ bezeichnen, wäre im Wissenschaftssprachgebrauch eine „Vermutung“ oder „Hypothese“. Hier ist noch offen, ob sie stimmt. Eine Theorie dagegen ist vielfach getestet. Die am häufigsten und präzisesten bestätiget Theorie ist übrigens die Relativitätstheorie von Albert Einstein, auch wenn sie von Wissenschaftsskeptikern auch heute noch in Bausch und Bogen verdammt wird. Auch die neusten Messungen am riesigen Schwarzen Loch in der Galaxie M87, dessen Bilder vor Jahren um die Welt gingen, haben die Vorhersagen Einsteins bis aufs i-Tüpfelchen bestätigt. Wenn wir in der Welt der Wissenschaft von der Richtigkeit einer Naturbeschreibung überzeugt sind, dann ist es die Allgemeine Relativitätstheorie. Auch wenn sie sperrig ist und sich dem Bauchgefühl und der Intuition zu widersprechen scheint – die Natur verhält sich exakt genau so, wie sie es vorhersagt.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen müssen also beim Gespräch mit dem allgemeinen Publikum berücksichtigen, dass Begriffe unterschiedlich verwendet werden und darauf Rücksicht nehmen. Aber das gilt im Gegenzug natürlich genauso. Darum: Augen auf bei der Wortwahl!

Wer nun mehr über die wissenschaftstheoretische Definition des Begriffs „Theorie“ erfahren möchte, kann sich das Video „Was ist eine Theorie“ ansehen.

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