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Das Frankenkabinett will regionale Literatur bekannter machen

Viele der rund 400.000 Medien lagern im Untergeschoss der Bibliothek

Gast Autor*in |

Stadtbibliothek

Ach wissen Sie, wenn man den ganzen Tag mit Büchern zu tun hat …“, sagt Christian Eglmeier lächelnd und schiebt gleich noch ein Insider-Bonmot nach: „Bibliothekare, die lesen, haben ihren Beruf verfehlt.“ Ein Lieblingsbuch kann er also nicht aus einem der Regale auf der Ebene K3 der Stadtbibliothek Zentrum ziehen, denn der Leiter des Fachteams Orts- und Landeskunde ist hier ganz gewiss nicht am falschen Platz. Mit großem Engagement auch seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt der Oberpfälzer das vor knapp einem Jahr eingerichtete Frankenkabinett, das sich im öffentlich zugänglichen Freihandbereich der Stadtbibliothek der Literatur aus und über Franken widmet. Sachliteratur und Belletristik sowie Zeitschriften, saisonbedingter Lesestoff und Neuerscheinungen warten auf Menschen, die sich für Nürnberg und Franken interessieren.

„Wir möchten das Thema Franken sichtbar machen und unseren Kundenbereich besser in die Öffentlichkeit tragen“, erklärt der Diplom-Bibliothekar. Schon vor der Eröffnung der Zentralbibliothek am Gewerbemuseumsplatz im Jahr 2012 bestand der Wunsch, einen Raum zu schaffen für an Franken Interessierte. Dank finanzieller Unterstützung durch die Fritz-Hintermayr-Stiftung war es im April 2024 endlich so weit: Ein Bereich mit einladender Atmosphäre zum Blättern und Schmökern, aber auch zum Arbeiten etwa an Referaten und Seminarpapieren konnte eröffnet werden. Eine vormals leere Ecke wurde mit einem großen Tisch, bequemen Stühlen und Sesseln ausgestattet, in den Fensternischen befinden sich gepolsterte Sitzbänke. Lärmschutzpaneele schaffen einen Ort der Ruhe, der von vielen Besucherinnen und Besuchern gern angenommen wird – bei weitem nicht nur von Mitgliedern mit Bibliotheksausweis.

Christian Eglmeier, Leiter des Fachteams Orts- und Landeskunde, im Frankenkabinett der Bibliothek. / © Masha Tuler

„Wir merken, dass immer mehr Menschen auf der Suche nach einem ruhigen Platz sind.“ Ob mit Laptop oder zum Zeitunglesen: Hier haben alle freien Zutritt, auch zu den kleinen Veranstaltungen, die in lockerer Folge stattfinden. Dabei verzichtet das Frankenkabinett auf feste Programmstrukturen. „Wir wollen flexibel reagieren und unsere Kundschaft immer wieder überraschen“, sagt Christian Eglmeier.

Einen regelmäßigen Termin gibt es aber. An einem Dienstag im Monat um 16 Uhr heißt es „30 Minuten im Frankenkabinett“. Eine mittlerweile in Rente gegangene Kollegin nimmt sich jeweils einen Autor und/oder ein bestimmtes Buch vor und lässt das Publikum an ihren Eindrücken und Erkenntnissen teilhaben. Heute hat Bibliothekarin Christiane Rumpf zu einem Kurzvortrag über den Schriftsteller Hermann Kesten (1900-1996) eingeladen. Der 125. Geburtstag des Nürnberger Ehrenbürgers ist aktueller Anlass für die Auseinandersetzung mit seinem Werk und zieht vielleicht deshalb ein besonders großes Publikum an, weil seine Bücher – außer in der Stadtbibliothek – kaum noch zu bekommen sind.

Katharina Wiegel ist bereits Stammgast der Reihe, lässt sich keinen Termin entgehen. „Hier erfahre ich von fränkischen Autorinnen oder Autoren, von denen ich noch nie gehört habe.“ Auch das Regal mit den Neuerscheinungen durchforstet sie bei jedem Besuch. „Man sieht, wie vielfältig die fränkische Literatur ist." Das schätzt sie an der Einrichtung.

Geschichte, Kunst und Kultur, Industrie und Wirtschaft, Brauchtum und Kulinarik, Sport und Freizeitgestaltung sowie Städtereisen, dazu regionale Krimis, Adressbücher und Nachschlagewerke – die nahezu gesamte Literaturproduktion Nürnbergs und Frankens seit dem 19. Jahrhundert ist in Auszügen im Frankenkabinett versammelt. Selbstverständlich können alle Bücher auch ausgeliehen werden – der neueste Ewald Arenz ebenso wie der Reiseführer Würzburg für den nächsten Wochenendausflug.

Christiane Rumpf spricht über den Autor und Nürnberger Ehrenbürger Herrmann Kesten (1900-1996). / © Masha Tuler

Allein die fränkische Belletristik-Sammlung umfasst rund 15.000 Titel – und es werden immer mehr. „Wir haben einen Sammelauftrag der Stadt und müssen alles sammeln, was Franken und Nürnberg betrifft“, sagt Christian Eglmeier. So wundert es nicht, dass der größte Teil der Franconia wohlgeordnet nach Formaten in den Magazinen im Untergeschoss der Bibliothek steht. Mindestens 400.000 Medien, zumeist Bücher, aber auch Zeitungen und Zeitschriften umfasst der Gesamtbestand. Dazu kommen einige audiovisuelle Veröffentlichungen, wie Schallplatten des Humoristen Herbert Hisel (1927-1982) und Aufnahmen des Nürnberger Christkind-Prologs.

Bei der Recherche nach Neuerscheinungen holt sich Eglmeier Tipps aus der Tagespresse sowie von anderen Bibliotheken und vernetzt sich, etwa mit fränkischen Vereinen, um an deren Jahresberichte zu kommen. „Unser Bestreben ist die Vollständigkeit“, daher erwirbt seine Abteilung nicht nur möglichst alle Publikationen über Franken und Nürnberg, sondern auch Werke von fränkischen Autorinnen und Autoren, die über ganz andere Themen schreiben.

Auch was im Selbstverlag erscheint, hat den gleichen Sammelwert wie ein Produkt aus der Feder eines Starautors. „Manchmal frage ich mich schon, ob wir wirklich auch noch das x-te fränkische vegane Kochbuch anschaffen müssen“, sagt Eglmeier lachend. „Aber ja, wir müssen!“ Manches wird auch vierfach in die Sammlung aufgenommen, wenn es so begehrt ist, wie etwa eine weitere Veröffentlichung zum „Club“, die von Fußballfans hochgeschätzt wird und unverzichtbar für die Archivierung ist.

Nicht nur das Anwachsen der Sammlung verändert das Kabinett. Auch inhaltlich sucht das Team das fränkische Profil der Stadtbibliothek weiter zu schärfen, etwa durch die Einrichtung eines der Mundartdichtung gewidmeten Bereichs. Orientierung bietet die Nachfrage der Besucherinnen und Besucher. So wird ein Regal saisonbezogen bestückt: Literatur
zu fränkischen Osterbräuchen löst die zuvor gesuchten Bücher zum Christkind und seinem Markt ab. Auch der Service wird großgeschrieben. Meldet sich am Infodesk zum Beispiel eine Schülerin, die ein Referat über den Schuhmacherpoeten Hans Sachs schreiben soll, wird entsprechender Lesestoff herausgesucht und bereitgestellt.

Text: Alexandra Foghammar

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