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Von Giften, Geheimschriften und galanten Dingen

Ein verlorener Fragenkatalog Cesare Borgias kehrt in die Stadtbibliothek zurück

Dr. Christine Sauer |

Stadtbibliothek

Ein 1950 erstmals reproduziertes, dann 1971 als Verlust festgestelltes, kulturhistorisch bedeutendes Schriftstück ist im Dezember 2024 wieder an seinen angestammten Platz zurückgekehrt. Dr. Claudia Bubenik, zuständig für Alte und Seltene Drucke an der Bayerischen Staatsbibliothek in München, erkannte Wert und Herkunft eines unscheinbar aussehenden Blattes Papier, das ihr ein Antiquar als Fundstück aus dem Restbestand einer zuvor versteigerten Privatsammlung vorlegte, und vermittelte die Rückgabe an die Stadtbibliothek. Hier liegt es wieder im Nachlass des großen Nürnberger Humanisten Willibald Pirckheimer (1470-1530), der es von seinem Freund Lorenz Beheim erhalten hatte.

Lorenz Beheim (1458-1521) entstammte nicht der Nürnberger Patrizierfamilie, sondern war der Sohn eines in der Reichsstadt ansässigen Büchsengießers. Nach dem Studium der Theologie ging er 1480 nach Italien und wurde Haushofmeister sowie Geschützmeister am Hof des Kardinals Rodrigo Borgia (1431-1503), seit 1492 Papst Alexander VI. Hier begegnete der vielseitig gebildete, auch an Astrologie, Medizin oder Alchemie interessierte Lorenz Beheim dem unehelichen Sohn des Papstes, dem später für seine Skrupellosigkeit bekannten Feldherrn, Kardinal und Erzbischof Cesare Borgia (1475-1507).

Auf dem zurückgekehrten Blatt finden sich in italienischer Sprache 90 Fragen aufgelistet, mit denen sich der wissbegierige Cesare an Lorenz Beheim wandte. Die Antworten sind nicht bekannt, doch muss der junge Mann Auskünfte erhalten haben, die er später praktisch umsetzen konnte: In der unter der Überschrift Kriegskünste abgefragten Leiter aus Seilen scheint bereits die Seidenschnur anzuklingen, an der sich Cesare Borgia 1506 spektakulär aus einem Gefängnisturm befreite. Brennend interessierte sich der junge Mann für die Verabreichung von Gift in einer Tasse, in Salz, Zucker oder Gasform, eingetragen über einen Sattel oder Steigbügel, aufgelöst in Brunnen, Flüssen oder Pfützen. Ebenso erfragte er Giftstoffe, die ihre Wirkung erst nach einem, vier oder sechs Monaten entfalten, sofort ein Fieber auslösen oder durch ein Gegengift nach Belieben des Verabreichers in ihrer Wirkung aufgehoben werden können.

Weiterhin beschäftigte ihn die Bearbeitung von Edelsteinen sowie deren Herstellung aus wertlosem Material wie Blei. Zu den abgefragten Kriegskünsten zählte eine Art Telefon, um aus der Ferne von einer Burg mit der anderen Kontakt aufzunehmen. Besonders viele Aufschlüsse erhoffte sich Cesare Borgia zu Fragen des Kanzleiwesens: Zum Fälschen einer jeden Handschrift und aller Sigel, zum unsichtbaren Öffnen von Briefen, zur Übermittlung von Botschaften auf menschlicher Haut, auf Hemden oder in einer Tinte, die nach 15 Tagen verschwindet, sowie schließlich nach der Möglichkeit, Briefe durch Verschlucken zu vernichten. Zwei Geheimschriften in der Form von Punkten oder ähnlich der Augen eines Würfels werden im Text angedeutet. Weitere Fragenkreise betrafen Liebesangelegenheiten (cose galante) oder die Schönheit der Frauen (In ornamenti de donne).

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