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Katastrophenschutz für Kulturgut

Wenn das Wasser kommt, was dann?

Gast Autor*in |

Stadtbibliothek

Was wir nicht sehen, wenn mal wieder bei einem Unwetter die Unterführung in der Zerzabelshofstraße vollläuft, das ist das Wasser, das möglicherweise in die Büchermagazine der Stadtbibliothek eindringt und dort gelagerte Dokumente aus Papier, Pergament oder Leder durchweicht. Zum Glück war das bis jetzt nur ein Horrorszenario und ist in Nürnberg in diesen Dimensionen in den letzten Jahrzehnten nicht eingetreten. 

Im Ahrtal 2021 aber schon – und es drohen auch andere, nicht durch Wasser ausgelöste Katastrophen, wie der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln oder der Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar lehren. Wir müssen uns also Gedanken machen, was uns in so einem Fall erwartet und wie wir reagieren können. 

Um sich auch einen solchen Ernstfall vorzubereiten, haben am 10. und 11. September 2025 24 Menschen aus 12 Archiven und Bibliotheken des Notfallverbundes Großraum Nürnberg zusammen geübt. Am Mittwochvormittag berichteten drei Referenten von ihren Erfahrungen im Katastropheneinsatz. Ralf Seeber, der Einsatzleiter der Feuerwehr beim Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek 2004, ist heute als Fachberater der Notfallverbünde Thüringen tätig. Matthias Frankenstein leitet die Bestandserhaltung an der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt; er war unter anderem bei der Bergung der Bücher aus dem eingestürzten Archiv in Köln 2009 oder im Ahrtal 2021 im Einsatz. Und Norbert Schempp führt ein Dienstleistungsunternehmen, das auf die Notfallbergung und die Wasser- und Brandschadensanierung, Schimmelpilzbehandlung, Reinigung und Bestandssicherung spezialisiert ist. 

Wasser stellt für Archive und Bibliotheken mit ihren empfindlichen Beständen aus Papier die größte Bedrohung dar.

Wasser stellt für Archive und Bibliotheken mit ihren empfindlichen Beständen aus Papier die größte Bedrohung dar – und die wahrscheinlichste, da ein defektes Rohr genauso wie ein durch den Klimawandel ausgelöster Starkregen zum Katastrophenfall führen können. Mit der Feuchte kommt der Schimmel. Nach maximal 48 Stunden sollte die Erstversorgung abgeschlossen sein. Um hier Handlungssicherheit zu bekommen, wurde an zwei Tagen geübt. 

Zuerst mussten die Teilnehmenden sich mit der persönlichen Schutzausrüstung vertraut machen. Umgefallene Regale, im Wasser versteckte Gefahren, angeschwemmte Verunreinigungen aus Kanalisation oder der nahegelegenen Tankstelle und auch beginnendes Schimmelwachstum gefährden die Gesundheit - und der Schutz der Gesundheit geht natürlich auch im Katastrophenfall vor. In Schutzanzügen, mit Sicherheitsgummistiefeln, FFP3-Masken und Handschuhen ausgestattet ging es dann los (ein Helm war nicht nötig, da die Übung im Hof neben der Katharinenruine stattfand und keine Gefahr von oben drohte). 

Bei der Bergung war überraschend, wie schwer und gleichzeitig weich durchnässtes Archivgut ist.

An den einzelnen Stationen wurde das Vorgehen ausführlich erklärt und im Anschluss fleißig geübt. Bei der Bergung war überraschend, wie schwer und gleichzeitig weich durchnässtes Archivgut ist. Nur wenige Objekte konnten in die bereitgestellten Kisten gepackt werden, damit diese vom Logistikteam noch bewegt und mit Sackkarren zur Erstversorgung gefahren werden konnten. Dort wurden die einzelnen Objekte mit Wasser vorsichtig abgespült, um die ersten groben Verunreinigungen zu entfernen. 

Danach wurde jedes Stück mit einer eindeutigen Nummer versehen, fotografiert, in Stretchfolie eingewickelt und wieder in Kisten verpackt. Diese Kisten stapelten die Logistiker auf Europaletten, damit sie im Ernstfall in ein Kühlhaus zum Einfrieren gebracht werden können. Das nämlich ist das Ziel der Erstversorgung: Durch Einfrieren den Schimmelbefall und die Zersetzung der Papiere zu stoppen und Zeit für die Weiterbehandlung mit Reinigung und Restaurierung zu gewinnen. 

Auch geschädigte Objekte aus dem Ahrtal wurden gezeigt.

Ach ja, die unterschiedlichen Farben der Warnwesten zeigen übrigens, zu welchem Team eine Person gehört. Sehr interessant war auch die Sicht des für den Kulturgutschutz verantwortlichen Feuerwehrmanns der Städtischen Feuerwehr Nürnberg, der sich an der Übung aktiv beteiligte. Danke auch an dieser Stelle für sein Interesse! 

Nach zwei spannenden, lehrreichen und von neuen Bekanntschaften geprägten Tagen sind wir jetzt hoffentlich besser gerüstet für die hoffentlich nie eintretenden Katastrophen. Unser besonderer Dank geht an die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) und an die Kulturstiftung der Länder mit dem Aktionsfonds für die Notfall-Allianz Kultur, die unsere Notfallübung großzügig gefördert haben.

Das könnte auch interessant sein:

Notfallverbund Großraum Nürnberg

Notfallverbünde zum Kulturgutschutz: Karte der Notfallverbünde

Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK)

Kulturstiftung der Länder, Notfallallianz Kultur

Empfehlungen zum Notfallmanagement in Archiven und Bibliotheken, 2025

 

Text: Christine Keßler

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